Arbeitsmarkt:Regierung: Keine neuen Regelungen gegen Armutszuwanderung

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Berlin/München (dpa) - Die Bundesregierung plant trotz des umstrittenen CSU-Vorstoßes keine neuen Bezugsregeln für Sozialleistungen, um mögliche Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien einzudämmen.

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Berlin/München (dpa) - Die Bundesregierung plant trotz des umstrittenen CSU-Vorstoßes keine neuen Bezugsregeln für Sozialleistungen, um mögliche Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien einzudämmen.

Man werde die Entwicklung nach der Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts am 1. Januar zunächst abwarten, sagte eine Sprecherin des SPD-geführten Arbeitsministeriums am Montag in Berlin. Die Migrationsbeauftragte im Kanzleramt, Aydan Özoğuz (SPD), sagte, Deutschland brauche Zuwanderung. „Stammtischparolen, die besagen: „Wir machen hier alles dicht“, sind nicht realistisch.

CSU-Chef Horst Seehofer wunderte sich über die seit dem Wochenende anhaltende Kritik an der Beschlussvorlage für die CSU-Klausur Anfang Januar - schließlich stünden die entsprechenden Forderungen im Koalitionsvertrag. „Da steht exakt das drin, um was es in den letzten Stunden und Tagen geht“, sagte er am Montag in München. „Was wir nicht wollen - das war Gegenstand unserer Wahlprogramme und ist Gegenstand der Koalitionsvereinbarung -, das ist eine Zuwanderung in die Sozialsysteme. Das, denke ich, sollte Konsens sein.“ Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mahnte die SPD zur Mäßigung.

Aber auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet ging vorsichtig auf Distanz zur CSU. Die CDU habe sich das CSU-Papier nicht zu eigen gemacht, sagte der frühere Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen im Deutschlandfunk. „Ich würde diese Wortwahl nicht wählen.“ Die Mehrheit der Deutschen wisse, dass angesichts der alternden Gesellschaft und des Fachkräftemangels Migration nötig sei.

Die CSU will die Zuwanderung von Armutsmigranten aus EU-Krisenregionen durch schärfere Bezugsregeln im Sozialsystem eindämmen. Ertappte Betrüger sollten ausgewiesen und mit einer Wiedereinreisesperre belegt werden. „Wer betrügt, der fliegt“, heißt es in der Beschlussvorlage für die Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten in Wildbad Kreuth. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt verteidigte die harte Formulierung. „Das ist eine berechtigte Zuspitzung“, sagte sie der „Welt“ (Dienstag).

Seehofer beklagte fehlende Differenzierung in der Debatte: Wenn es alle machen, dann ist es State of the Art, und wenn die CSU was sagt, wird es plötzlich Rechtspopulismus. Bayerns Arbeitsministerin Emilia Müller (CSU) erklärte, die Freizügigkeit im Rahmen der Europäischen Union sei „ein Gewinn für unsere Wirtschaft und unseren Arbeitsmarkt“. Sie betonte aber auch: „Freizügigkeit heißt nicht Wahlfreiheit der besten Sozialleistungen Europas.“

Laut Bundesarbeitsministerium sind Rumänen und Bulgaren in Deutschland bislang seltener als andere Ausländer arbeitslos und beziehen bisher auch seltener Sozialleistungen. In einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion erklärt das Ministerium auch, von der Öffnung für Bulgaren und Rumänen seien nach den Erfahrungen von 2011 mit Polen und weiteren mittel- und osteuropäischen EU-Bürgern keine erheblichen Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten. Über das Schreiben berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ (Montag).

Der Migrationsforscher Herbert Brücker und auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) halten Warnungen vor einem „Sozialtourismus“ bedürftiger Rumänen und Bulgaren für überzogen. Im Deutschlandradio Kultur sagte Brücker, Wirtschaftsprofessor an der Universität Bamberg, ein Problem für viele Kommunen sei vielmehr der Umgang mit jenen Zuzüglern, die weder eine Arbeit hätten noch Sozialleistungen bezögen.

Nach IW-Angaben hat sich die Zuwanderung in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verändert. Jüngere Ausländer verfügten in der Regel über eine bessere Qualifikation als der Schnitt der deutschen Gesamtbevölkerung. So hätten heute 30 Prozent der Zuwanderer einen Hochschulabschluss - in der Gesamtbevölkerung nur knapp 20 Prozent.

Die stellvertretende SPD-Chefin Özoğuz räumte im Bayerischen Rundfunk ein, dass es in manchen Städten wie Dortmund, Duisburg und Berlin Armutszuwanderung gebe und dass „die Kommunen wirklich auch Hilfe brauchen“. Es gebe dort „Unruhe in der Bevölkerung“. Nötig sei schnellere und unbürokratischere finanzielle Hilfe. Ausgerechnet die CSU habe dies aber nicht gewollt, sagte Özoğuz.

Bayerns Innenminister Herrmann sagte dagegen: „Auch die SPD muss einsehen: Da kommt ein Riesenproblem auf uns zu, das nicht auf dem Rücken der deutschen Steuerzahler und Rentner ausgetragen werden darf“, sagte Herrmann.

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