In der Berufswelt der Zukunft ersetzen Roboter Jobs und mehr Deutsche werkeln selbständig online, statt fest angestellt (und entlohnt) zu sein. Was lässt sich tun, damit die Digitalisierung die Arbeitnehmer nicht überrollt? Das untersuchen jetzt mehrere Ökonomen in einer Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.
Bemerkenswert erscheint das Fazit der Autoren, zu denen neben Werner Eichhorst auch Klaus Zimmermann zählt, der die Gewerkschaften durchaus kritisch begleitet: Gerade die Digitalisierung verlange nach einer starken Arbeiterbewegung, sonst fehle in der neuen Welt ein Gegengewicht.
Gewerkschafter tun sich in den neuen Verhältnissen schwer
Aber können die Gewerkschaften dieses Gegengewicht wirklich bieten? Die Forscher sehen einen klaren Trend weg von festen Arbeitsverhältnissen und Acht-Stunden-Tagen in der Firma. Das biete auch Chancen, etwa wenn Beschäftigte gerne zu Hause arbeiten. Andererseits drohten Jobverluste durch Roboter und schlechtere Bedingungen durch Erfolgsdruck, weil Big Data unbarmherzig die Leistung misst und Beschäftigte rund um die Uhr erreichbar sind.
Gewerkschafter jedoch tun sich in den neuen Verhältnissen schwer. Wie lassen sich Arbeitnehmer mobilisieren, die oft außerhalb der Firma werkeln - oder gar selbständig? In einigen Wachstumsbranchen sammeln die Gewerkschaften kaum Mitglieder. Gleichzeitig sehen sie die Forscher deutlich geschwächt, weil sie in den vergangenen beiden Dekaden vier von zehn Millionen Mitgliedern verloren.
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Die Studie für das Institut zur Zukunft der Arbeit rät den Organisationen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), ihre Strategie in einigen Punkten zu überdenken. Statt sich auf die Gestaltung der Arbeitswelt zu konzentrieren, meldeten sie sich zu jedem Politikfeld von Schule bis Rente und Altenpflege. Damit würden sie inhaltlich unscharf und für neue Mitglieder womöglich unattraktiv.
Gewerkschaften müssen über ihren Schatten springen
Außerdem lasse sich im neuen Zeitalter eine gerechte Beteiligung am Wohlstand nicht nur durch Löhne erreichen, die tendenziell unter Druck stehen, während Roboter und andere Maschinen einen immer größeren Teil der Erträge erwirtschaften. Die Lösung? Eine Partizipation an den Gewinnen der Firmen, die bisher weniger als jeder zehnte deutsche Arbeitnehmer hat.
Um Beschäftigte zu Kapitaleignern zu machen, müssten die Gewerkschaften tatsächlich sehr über ihren Schatten springen. Aber genau solche ungewöhnlichen Angebote fordern die Forscher. Auch im Umgang mit dem Trend, dass Betriebe Externe beschäftigen, per Werkvertrag und zunehmend über Online-Plattformen. Für die Gewerkschaften ein doppeltes Dilemma: Wenn solche neuen Selbständigen schlecht bezahlt sind, ist das nicht nur für sie selbst ein Problem - Billigangebote fördern den Abbau der Stammbelegschaft.
Die Forscher raten den Gewerkschaften zu noch mehr Bemühungen, die Werkarbeiter zu organisieren. Klassische Tarifverträge seien auf absehbare Zeit unrealistisch, aber vielleicht die Etablierung von Preisstandards statt Dumpingangeboten. Um für die Neo-Selbständigen attraktiv zu werden, müssten ihnen die Gewerkschafter Beratung und Unterstützung anbieten - und von den Arbeitgebern erstreiten, dass diese zur sozialen Absicherung der Freischwebenden beitragen, die bisher so herrlich billig für sie sind.
Auch für Angestellte verändert sich die Berufswelt
Die Berufswelt verändert sich nicht nur für digital Selbständige, sondern auch für klassische Angestellte. Damit sie im internationalen Wettbewerb ihre Stellen behalten, werde "der Ausbau der Weiterbildung zur Notwendigkeit für alle Beschäftigten". Die Gewerkschaften versuchen das mit speziellen Tarifverträgen, doch in vielen Branchen gibt es das noch nicht.
Ebenso partiell sind Vereinbarungen gegen ständige Verfügbarkeit und Verdichtung der Arbeit, die Gesundheit und Psyche gefährden. Die Forscher finden es beispielhaft, wie die Gewerkschaften etwa bei Autokonzernen erreicht haben, dass E-Mails abends nicht mehr weitergeleitet werden. Aber so etwas gilt bisher eben nur für einen kleinen Teil der deutschen Arbeitnehmer.