Arbeiten mit psychischer Krankheit:Behutsame Rückkehr

Lesezeit: 2 min

Eine psychische Krankheit kann das Leben ganz schön durcheinanderwirbeln. Wer sich deswegen stationär behandeln lassen muss, verliert durch seine Abwesenheit oft den beruflichen Anschluss. Doch es gibt Hilfe für den langsamen Wiedereinstieg in den Job.

Die Krankheit riss Stefan D. aus dem Beruf. Der Maschinenbauingenieur war Anfang 30 und hatte eine gute Stelle. Dann wurde er krank, konnte nicht mehr arbeiten und musste monatelang in einer psychiatrischen Klinik behandelt werden. Die Diagnose: paranoide Schizophrenie. Der Ingenieur verlor seinen Job.

Psychische Erkrankungen sind für einen Großteil der Fehlzeiten von Arbeitnehmern verantwortlich. Laut Gesundheitsreport der Krankenkasse Barmer GEK belegen sie Platz zwei nach Muskel-Skelett-Erkrankungen. "Im Durchschnitt dauern psychische Erkrankungen mit knapp 42 Arbeitsunfähigkeitstagen je Fall jedoch am längsten", sagt Barmer-GEK-Sprecher Axel Wunsch.

Mit dieser Problematik kennt sich Michael Bräuning-Edelmann gut aus. Er ist Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation psychisch kranker Menschen in Hannover. "Etwa 30 Prozent aller Menschen in Deutschland werden einmal in ihrem Arbeitsleben psychisch krank", sagt er. Viele brauchen intensive Langzeitunterstützung, um wieder in den Beruf hineinzufinden.

Ein Drittel der chronisch psychisch Kranken kann trotz der Erkrankung wieder normal in den Arbeitsalltag zurück", sagt Bräuning-Edelmann. Sie seien dann so weit genesen, dass sie im bisherigen Job neu starten könnten. Bei etwa zwei Dritteln klappe das nicht. "Das liegt zum einen daran, dass die Rehabilitationsmaßnahmen nach der Psychiatrie meist ein bis zwei Jahre dauern und die Menschen den Job dann oft verloren haben." Zum anderen kämen viele Menschen mit psychischen Problemen mit den Arbeitsbelastungen nicht mehr zurecht. Sie hätten beispielsweise Probleme damit, die geforderte Leistung kontinuierlich zu erbringen und könnten schlechter mit Stress umgehen. "Man muss dann schauen, was jede einzelne Person tun kann." Manchmal helfe es, in Teilzeit zu arbeiten, andere müssten umschulen.

So ging es auch Stefan D. Nach der Psychiatrie kam er in Reha-Einrichtungen und wurde zweieinhalb Jahre intensiv betreut. "Ich war im zweiten Jahr in einer beruflichen Reha", berichtet er. Dort bekam er Hilfe, beruflich Fuß zu fassen. "Wir haben besprochen, wie es mit mir weitergehen kann, was und wie viel ich mir zutraue, und man hat mir Praktika vermittelt, durch die ich andere Berufe ausprobieren konnte." Stefan D. entschied sich, die Branche ganz zu wechseln und Produktionshelfer zu werden, wo er viel mit Holz arbeiten konnte.

Wichtig sind dabei die Rehabilitationszentren für psychisch Kranke, kurz RPK. "Nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie gehen viele Menschen in so eine Reha", sagt Bräuning-Edelmann. Dort bekommen sie neben der medizinischen Behandlung umfangreiche Hilfe zum Wiedereinstieg ins Arbeitsleben. "Viele der RPKs beraten auch dann, wenn man nicht stationär bei ihnen ist." Außerdem gebe es teilweise Reha-Berater bei den Arbeitsämtern. "Die helfen ebenfalls und schauen, was die Stärken und Schwächen des Betroffenen sind."

Dabei sollte man den Einfluss der Medikamente nicht unterschätzen, wie Stefan D. aus eigener Erfahrung berichtet. "Bei mir dämpfen die Medikamente die Konzentrations- und Merkfähigkeit und mein Leistungsvermögen." Nach einigen Stunden Arbeit sei er deutlich erschöpfter, als er es ohne Medikamente war. Auch deswegen wählte er keine Vollzeitstelle, sondern einen Teilzeitjob.

Einfach war es trotzdem nicht. "Ich habe mehrmals die Erfahrung gemacht, dass man mit einer psychischen Erkrankung deutlich im Nachteil ist bei potentiellen Arbeitgebern." Noch gebe es viele Vorurteile und auch Angst im Umgang mit psychisch Kranken. "Man muss sich daher immer wieder aufrappeln", sagt er. Dennoch ist er zuversichtlich: "Mein Ziel ist, mit kleinen Schritten einigermaßen zurückzukommen ins Arbeitsleben."

Viele Unternehmen haben heute im Zusammenwirken mit der gesetzlichen Krankenversicherung die Möglichkeit, ihre Arbeitnehmer nach einer Krankheit langsam wieder in den Job zu holen, sagt Reha-Experte Bräuning-Edelmann. Die Arbeitgeber versuchten, individuelle Lösungen zu finden, zum Beispiel indem der Betroffene in den ersten Wochen nur sehr wenige Stunden arbeitet und mit der Zeit aufstockt. Diese Maßnahmen werden als "Hamburger Modell" bezeichnet. "Das funktioniert meist gut, setzt aber natürlich voraus, dass man den Job behalten hat."

© Aliki Nassoufis/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: