Angestellte Lehrer treten in Streik:Aufstand der "Beschäftigten zweiter Klasse"

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Streikende Lehrer, leere Klassenzimmer: Den Schulen drohen wegen der angekündigten Arbeitskämpfe Unterrichtsausfälle. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Sie wollen sich nicht mehr nach "Gutsherrenart" behandeln lassen. Am Montag beginnen in Berlin die angestellten Lehrer mit Warnstreiks, Pädagogen in anderen Bundesländern wollen nachziehen. Schulen müssen sich auf Unterrichtsausfall einstellen.

Von Johann Osel

Nach dem Scheitern der zweiten Tarifrunde beginnen bereits am Montag die ersten Warnstreiks im öffentlichen Dienst der Länder. Gewerkschafter aus Bund und Ländern kündigten zahlreiche Arbeitsniederlegungen und Proteste an. Die Lehrergewerkschaft GEW stellte in allen Ländern Warnstreiks an Schulen in Aussicht - den Anfang macht dabei Berlin.

Auch Mitarbeiter von Straßenmeistereien, Universitätskliniken und Verwaltungen sollen zeitweise in den Ausstand treten. Die Bürger müssen sich deshalb auf Unterrichtsausfall, Verkehrsbehinderungen, Einschränkungen beim Winterdienst und verzögerte Abläufe in Ämtern einstellen.

Die Gewerkschaften wollen damit im Tarifstreit um die Gehälter der etwa 800.000 Landesangestellten Druck machen. Die Beschäftigten wollten "in den nächsten Tagen deutlich machen, dass sie sich nicht von der Tarifentwicklung anderer Bereiche abkoppeln lassen", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske.

Tausende zum Ausstand aufgerufen

In Berlin sind zunächst Tausende angestellte Lehrer sowie Erzieher zum vorübergehenden Ausstand aufgerufen. GEW-Verhandlungsführerin Ilse Schaad kündigte darüber hinaus für die folgenden Tage Aktionen in allen Bundesländern außer Hessen an, das der Tarifgemeinschaft der Länder als einziges Bundesland nicht angehört. Vorübergehend soll ihren Angaben zufolge zeitgleich in mehreren Ländern gestreikt werden.

Von Dienstag an sind Streikaktionen in Bayern und Baden-Württemberg geplant. In der Woche darauf planen die angestellten Lehrer in Nordrhein-Westfalen, jeweils einen Tag lang in wechselnden Regierungsbezirken zu streiken.

Gut 200.000 angestellte Lehrer gibt es in Deutschland - das ist ein Viertel aller Pädagogen im öffentlichen Dienst, damit sind sie keine Randgruppe. Sie fordern neben einem höheren Gehalt eine bundesweit feste Zuordnung zu Entgeltgruppen, wie sie öffentlich Beschäftigte außerhalb des Schulbereichs genießen. Laut GEW werden angestellte Lehrer oft "nach Gutsherrenart" eingeordnet. Und im Vergleich zu den Beamten, die das Gros der deutschen Lehrerschaft stellen, müssten sie ohnehin Einbußen hinnehmen.

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Neben verweigerten Verbeamtungen, etwa wegen zu hohen Alters, haben die ostdeutschen Länder den Trend beflügelt, dass immer mehr Nicht-Beamte in Schulen tätig sind. So gibt es in Mecklenburg-Vorpommern derzeit keine Beamten an Schulen, in Sachsen und Sachsen-Anhalt sind mehr als 80 Prozent der Lehrer angestellt, in den West-Ländern liegt der Anteil zwischen zehn und 30 Prozent.

Schon bei früheren Verhandlungen im öffentlichen Dienst hatten sich die Lehrer als streikfreudig erwiesen. Der Ausstand wäre im Osten effektiv - und in der Hauptstadt. Berlin verbeamtet Lehrer seit 2004 Lehrer nicht mehr, ungefähr 40 Prozent der Kräfte ist angestellt.

"Große Zahl von Warnstreiks"

Die Gewerkschaften wollen Druck aufbauen für die weiteren Verhandlungen, die für den 7. und 8. März in Potsdam geplant sind. In der ersten Märzwoche sind zudem Warnstreiks der Lehrer in Sachsen und der Mitarbeiter von Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen vorgesehen. Auch Gewerkschafter aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen stellten Streiks in Aussicht.

Der Verhandlungsführer des Beamtenbundes, Willi Russ, sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Vor allem in der ersten Märzwoche werden wir eine große Zahl von Warnstreiks organisieren. Da wird zum Beispiel in Sachsen viel Unterricht ausfallen, in NRW der Krankenhausbetrieb beeinträchtigt, in Bayern wird die Steuerverwaltung protestieren und in Baden-Württemberg und Hessen werden die Straßenmeistereien bestreikt." Die Arbeitgeber sollten den Protest spüren, sagte Russ, die Angestellten der Länder verlangten einen angemessenen Einkommenszuwachs. "Sie lassen sich nicht als Beschäftigte zweiter Klasse abspeisen."

Die Gewerkschaften beklagen, die Landesbeschäftigten seien bei der Bezahlung gegenüber ihren Kollegen bei Bund und Kommunen deutlich im Rückstand. Sie fordern für die Beschäftigten unter anderem 6,5 Prozent mehr Geld. Die Arbeitgeberseite hält die Forderungen für überzogen. Eine Annäherung gibt es bislang nicht.

Am Donnerstag war die zweite Verhandlungsrunde ohne Ergebnis zu Ende gegangen, nachdem die Arbeitgeber wieder kein Angebot vorgelegt hatten. Ein ursprünglich für Freitag angesetzter zweiter Verhandlungstermin wurde gestrichen.

© SZ vom 16.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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