US-Vorstoß:Amerikas Einbruch in die Privatsphäre

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Humangenetiker sind entsetzt über den Plan aus dem Weißen Haus. (Foto: dpa)

Nahezu unbemerkt wurde in den USA ein Gesetz auf den Weg gebracht, wonach Angestellte ihrem Arbeitgeber Gentests vorlegen müssen. Das ist unsinnig und unmenschlich.

Kommentar von Astrid Viciano

Im Getöse um Donald Trumps Einreiseverbot hat ein Komitee des US-Repräsentantenhauses fast unbemerkt einem Gesetzentwurf zugestimmt, der das Leben vieler Amerikaner aus der Bahn werfen könnte. Unternehmen könnten künftig Angestellte dazu nötigen, Gentests zuzustimmen und deren Ergebnisse offenzulegen. Amerikanische wie europäische Humangenetiker sind entsetzt. Gentests müssten freiwillig erfolgen, die Information über mögliche Erkrankungen Privatsphäre bleiben, forderte die Europäische Gesellschaft für Humangenetik (ESHG) in einer aktuellen Stellungnahme. ESHG-Präsident Olaf Rieß warnt vor einem Dammbruch.

Der Protest der europäischen Wissenschaftler ist verständlich - erfahrungsgemäß schwappen Vorstöße im Bereich der Bioethik irgendwann nach Europa über. Das muss nicht immer schlecht sein; in diesem Fall aber wäre es verheerend. US-Unternehmen könnten in Zukunft nämlich firmeninterne Wellness-Programme als Schleichweg nehmen, um den gesetzlich festgelegten Schutz der genetischen Privatsphäre zu umgehen. Wer sich nicht an Programmen inklusive Gentests der Firmen beteiligt, wird mit deutlich höheren Krankenversicherungskosten bestraft. Und solche, bei denen in einem Gentest ein erhöhtes Risiko für eine Erkrankung festgestellt wird, wären für die Unternehmen in der Konsequenz eine Belastung, Arbeitsverträge würden nicht verlängert, Karrieren ausgebremst. In Deutschland wurde vor Jahren eine gesunde Lehrerin nicht verbeamtet, weil ihr Vater an der Erbkrankheit Chorea Huntington litt.

Ein Risiko ist keine Gewissheit, dass ein Mensch erkranken wird

Das ist unmenschlich. Arbeitgeber sollen ihre Angestellten nach ihren Begabungen und Leistungen beurteilen, nicht nach deren genetischem Profil. Zumal die Ergebnisse von Gentests in den allermeisten Fällen nur ein Risiko feststellen, aber keine Gewissheit, dass ein Mensch tatsächlich erkranken wird. Zu viele Genvarianten sind meist im Spiel, um zu wissen, ob und in welchem Ausmaß der Getestete erkranken wird. Angestellte könnten also massiv benachteiligt werden, obwohl sie nie erkranken.

Viele Menschen möchten auch gar nicht wissen, welche genetischen Belastungen sie mit sich herumtragen. Und bei den wenigen Gendefekten, die eine Erkrankung sicher vorhersagen - der erwähnten Chorea Huntington zum Beispiel -, können die Betroffenen bei einem positiven Testergebnis nichts tun, um der Erkrankung vorzubeugen oder sie hinauszuzögern. Zwar können sie für die Zeit der Erkrankung vorsorgen. Doch werden sie bis zum Ausbruch des Leidens psychisch massiv belastet sein. Nicht ohne Grund ist eine Beratung vor und nach einem Gentest in Deutschland vorgeschrieben. Um die Menschen zu schützen und nicht aus der Bahn zu werfen.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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