Übergewicht:Abschied vom BMI

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Wenn es um die Bestimmung von Übergewicht geht, ist der Body-Mass-Index noch immer das Maß aller Dinge. Doch die Kritik an dem BMI häuft sich. Nun haben Forscher eine neue Formel vorgelegt, die die Risiken der überzähligen Pfunde genauer ermitteln soll.

Von Birgit Herden

Wann ist ein Mensch zu dick? Seit Jahrzehnten entscheiden Ärzte darüber in erster Linie anhand des Body-Mass-Index (BMI), der die Menschen in Normalgewichtige und weniger Normale mit erhöhtem Sterberisiko unterteilt. Da der BMI aber zunehmend in die Kritik gerät, haben der New Yorker Wissenschaftler Nir Krakauer und sein Vater eine Alternative vorgeschlagen: den sogenannten ABSI ("A Body Shape Index"). Er berücksichtigt nicht nur Größe und Gewicht, sondern zugleich den Bauchumfang ( Plos One, online).

Krakauer analysierte die Daten von 7011 Erwachsenen, die Mitte der 1980er-Jahre in Großbritannien erhoben wurden. Das Schicksal der Probanden wurde bis 2009 dokumentiert; zu diesem Zeitpunkt waren 2203 von ihnen gestorben. Den Analysen zufolge eignete sich der ABSI auch auf lange Sicht wesentlich besser als der BMI, um ein erhöhtes Sterberisiko anzuzeigen: je höher der ABSI, desto wahrscheinlicher ein früherer Tod. Auf 100 Todesfälle in der Gruppe mit niedrigem ABSI kamen 161 in der Gruppe mit hohem. Deutlich schlechter schnitt der BMI als Indikator ab.

"Der ABSI ist ein interessantes Konzept", sagt Harald Schneider von der Uni München, der auf ähnlichem Gebiet forscht. "Warum der BMI noch immer Goldstandard für medizinische Fragestellungen ist, weiß eigentlich kein Mensch. Oft liefert er ein falsches Ergebnis, was das Gesundheitsrisiko betrifft."

Die Kritik am BMI ist nicht neu. Schneider selbst hat bereits als Alternative das Verhältnis von Bauch- zu Hüftumfang vorgeschlagen. In der New Yorker Studie hatte sich der ABSI allerdings auch aussagekräftiger als dieses Maß erwiesen.

Überholt ist der BMI allein schon wegen der Unterteilung, nach der ein Mensch von einem Wert von 25 an abnehmen sollte. Nach neueren Analysen scheinen im statistischen Mittel eher Menschen zu liegen, die nach BMI-Definition leicht übergewichtig sind. Zudem berücksichtigt der BMI weder den Anteil der Muskelmasse noch die Verteilung von Fett im Körper. Dabei ist nach heutigem Stand des Wissens vor allem jenes Fett gefährlich, das sich im Bauchraum zwischen den Organen ansammelt und mit dem Bauchumfang korreliert. Im Gegensatz zum relativ ungefährlichen Fett im Unterhautgewebe sondert dieses Fett Hormone und Entzündungsfaktoren ab, die die Entstehung von Arteriosklerose und Typ-2-Diabetes fördern. Da der BMI nicht zwischen Menschen mit Bierbauch und solchen mit Hüftspeck unterscheidet, vergleicht er buchstäblich Äpfel mit Birnen.

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"Man muss allerdings noch abwarten, ob sich der ABSI in weiteren Studien bewährt", sagt Schneider. Doch auch dann könnte er es in der klinischen Praxis schwer haben, denn der neue Index reagiert empfindlich auf eine fehlerhafte Messung des Bauchumfangs. Für die New Yorker Studie wurden die Bäuche knapp oberhalb des Hüftknochens vermessen. Andere Standards sehen vor, am Bauchnabel oder in der Mitte zwischen Hüftknochen und unterstem Rippenbogen zu messen. Je nach Figur kann das einen deutlichen Unterschied bedeuten.

Zudem ist die Interpretation des ABSI komplizierter als die simple Botschaft, abzunehmen. Der Wert selbst lässt sich zwar mit heutigen Mitteln leicht errechnen, etwa mithilfe des von Krakauer online gestellten Rechners ( www-ce.ccny.cuny.edu/nir/sw/absi-calculator.html). Demnach hat zum Beispiel ein 1,78 Meter großer Mann, der bei einem Bauchumfang von 105 Zentimetern 85 Kilo wiegt, einen ABSI von 0,088 und damit ein erhöhtes Sterberisiko. Nimmt er nun drei Kilo ab und verliert zwei Zentimeter Bauchumfang, ändert sich daran nichts. Verringert er dagegen seinen Bauchumfang um fünf Zentimeter, ohne dabei abzunehmen (etwa wegen erhöhter Muskelmasse), dann hat er laut ABSI ein durchschnittliches Sterberisiko.

Harald Schneider warnt jedoch vor radikalen Hungerkuren: "Menschen, die aufgrund von viel Bauchfett ein hohes Risiko haben, sollten ihr Leben langfristig in vielen Punkten ändern."

© SZ vom 15.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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