Transplantationen:Wollen wir Organspenden? Dann tut etwas!

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Die Deutschen stehen der Organspende positiv gegenüber, aber es fehlen immer mehr Organe. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Die Zahl der Organspenden ist in Deutschland so niedrig, dass theoretisch sogar die Mitgliedschaft bei Eurotransplant zur Disposition steht. Daran sind vor allem Ärzte und Kliniken schuld.

Kommentar von Christina Berndt

Deutschland ist international nicht mehr ernst zu nehmen. Jedenfalls wenn es um Organspenden geht. Der gerade erschienene Jahresbericht der Stiftung Eurotransplant attestiert der Bundesrepublik ein krankes, kurz vor dem Siechtum stehendes Transplantationssystem. Gerade mal 769 hirntote Menschen haben 2017 ihre Organe gespendet, das entspricht nur noch 9,3 Spendern pro Million Einwohner. Diese Zahl ist so niedrig, dass nun theoretisch sogar die Mitgliedschaft im Eurotransplant-Verbund zur Disposition steht. Denn dort geht man erst ab zehn Spendern pro Million Einwohner von einem "ernst zu nehmenden Organspendesystem" in einem Land aus.

In diese Lage ist Deutschland keineswegs überraschend geraten. Seit Jahren schauen Ärztefunktionäre und Politiker zu, wie die Spenderzahlen einbrechen. Wer aber will, dass Patienten in Deutschland eine Chance auf ein Spenderorgan erhalten, ohne dass - wie dies bei Nieren, Lungen und Lebern möglich ist - lebende Verwandte unter Inkaufnahme vieler Risiken zu Organspendern werden, dem reichen keine Reförmchen.

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Der Transplantationsskandal hat Vertrauen zerstört. Der notorische Mangel an Nieren oder Herzen hat aber auch mit dem  Kostendruck an deutschen Kliniken zu tun.

Von Christina Berndt

Der muss das ganze System erneuern. Man braucht Transplantationen nicht gut zu finden. Es gibt zahlreiche Kritiker, die den Hirntod für kein ausreichendes Kriterium halten, um einem Menschen Organe zu entnehmen, oder die finden, dass ein Leben mit einem gespendeten Organ ein Graus sei. Die meisten Menschen in der Bundesrepublik betrachten Organspenden jedoch als etwas Positives: Mehr als 80 Prozent sind Umfragen zufolge dafür. Ebenso viele würden sich selbst gern ein Organ spenden lassen, sollten sie einmal darauf angewiesen sein.

Die Diskrepanz zwischen dieser außerordentlichen Wertschätzung und der lächerlich geringen Realisierung von Organspenden ist irritierend groß. Die Gesundheitspolitiker müssen sich sagen lassen: Wollen wir Transplantationen in Deutschland? Wenn ja, dann tut etwas!

Die Transplantationsmedizin muss rundum überprüft werden. Dazu gehört es, die Probleme klar zu benennen. So ist am Rückgang der Organspendezahlen nicht nur der Transplantationsskandal aus den Jahren 2012/13 schuld, der viel Vertrauen zerstört hat. Die Spenderzahlen sinken bereits seit 2010, weil viele Klinikärzte sich nicht die Mühe machen, Angehörige von Hirntoten nach einer Organspende zu fragen. Bis heute sind es weniger die Bürger als vielmehr die Kliniken, die sich zu wenig an der Organspende beteiligen.

Es ist daher dringend nötig, den aufwendigen Prozess der Organspende besser zu vergüten, Kliniken bei der - bitte schön akkuraten - Hirntodfeststellung durch mobile Expertenteams intensiver zu unterstützen und ihnen ordentlich bezahlte Transplantationsbeauftragte zur Verfügung zu stellen. Auch muss man das System endlich juristisch ordentlich regeln. Der Bundesgerichtshof hat die aktuelle Vergabepraxis, Alkoholkranken Organe vorzuenthalten, sogar verfassungswidrig genannt.

Die Transplantationsmedizin ist ein kleines, ethisch hochbrisantes Feld der Medizin. Aber sie gibt Hoffnung, wo sonst nur Hoffnungslosigkeit wäre. Und sie ist, mehr als alle anderen medizinischen Fächer, auf Solidarität angewiesen. Deshalb ist es so wichtig, diese Medizin - wenn man sich für sie entscheidet - mit vollem Einsatz und ganzem Herzen zu fördern.

© SZ vom 13.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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