Mehr als zehntausend Bücher sind dem Wein gewidmet, ganz zu schweigen von all den Verkostungen, Seminaren, Expertenkolumnen und den Ratschlägen des Nachbarn, der es immer besser weiß. Wer es sich gerade vor Festtagen leicht machen will, darf sie getrost ignorieren. Hier die Gründe für mehr Entspanntheit bei der Wahl des richtigen Weins - in Bildern, weil schließlich auch das Auge mittrinkt. Das Expertenurteil: Wein-Experten sind keine Quacksalber. Dennoch hält man sich am besten an das Urteil einer der ganz großen ihrer Zunft, der Britin Jancis Robinson, die bekennt: "Weinbewertungen sind genauso subjektiv wie die Bewertung von Kunst". Den Beweis dafür traten vor kurzem Yale-Wissenschaftler an, als sie die Urteile von Robinson mit denen des US-Experten Robert Parker verglichen. Bei weniger als 40 Prozent der von ihnen getesteten Bordeaux-Weine waren sich die beiden einig. Besonders verwirrend waren ihre Urteile zur höchsten Güteklasse: Während der Amerikaner 45 Prozent der Weine in diese Gruppe einsortierte, hielt die Britin nur acht Prozent dieses Urteils für würdig. Außerdem ist nicht klar, ob der Laie, der seine Nase ins Weinglas hängt, wirklich nachvollziehen kann, was die Profis wahrnehmen. Die Experten haben nicht nur einen riesigen Erfahrungsvorsprung und ein Vokablur, das die meisten Menschen vor Rätsel stellt, sie scheinen von der Natur auch mit einem feineren Geschmackssinn gesegnet zu sein. Das zumindest konstatieren amerikanische Wissenschaftler - und stellen die naheliegende Frage: "Wenn sich die Fähigkeit der Geschmackswahrnehmung der Experten fundamental von unserer aller Fähigkeiten unterscheidet, sollten wir dann überhaupt ihrem Urteil folgen?".
Die Erwartungen an den Geschmack: Wie wirkt sich so ein Expertenurteil auf die Weintrinker aus? Erzählte man Versuchspersonen, sie würden jetzt gleich einen hochprämierten Wein bekommen, schmeckte er ihnen formidabel. Probanden, die denselben Wein mit der Bemerkung erhielten, hier komme ein schlechtbewertetes Getränk, mäkelten deutlicher. Interessanterweise beeinflusste das Expertenurteil die Trinker nicht mehr, wenn sie bereits gekostet hatten. Die eigene Zunge schlägt offenbar Parker und Konsorten.
Die Familiensaga: Die Branche scheint verstanden zu haben, dass Laien ihr Spezialvokabular eher überfordert. So ködern sie ihre Kunden mit Sprüchen wie: "Seit 75 Jahren in Familienbesitz, nutzen wir zeitintensive Methoden, um unsere einzigartige Qualität zu sichern". Natur, Tradition, Familie: Obgleich alle Hersteller ihre Einzigartigkeit betonen, werben sie mit immer den gleichen Versatzstücken. Auf die Käufer scheint so etwas Eindruck zu machen. Befragt, auf was sie beim Weinkauf achten, offenbarten sie die Historie des Weins als drittwichtigstes Kriterium. Sie rangiert noch vor der Beschreibung der Traubensorte, des Geschmacks, praktischen Hinweisen oder der Ausweisung ökologischer Kriterien. Wichtiger waren nur die Auflistung der Zutaten und mit weitem Abstand auf dem ersten Platz: der Preis.
Der Preis: Wie aber beeinflusst der Preis den Geschmack? Objektiv betrachtet, schmeckt teurer Wein Laien nicht besser als preiswerter. Im Gegenteil, Laien mochten die edlen Sorten sogar etwas weniger, wie die Daten von mehr als 6000 Weinverkostungen nahelegen, bei denen die Versuchspersonen nicht wussten, was sie tranken. Wird Weintrinkern ein hoher Preis noch vor dem ersten Schluck verraten, schmeckt der Wein besser - allerdings nur Frauen, wie eine schwedische Studie ergab. Ein niedriger Preis schmälert den Genuss dagegen nicht. Gastgeber können getrost zu preiswerteren Weinen greifen - und müssen damit auch nicht hinter dem Berg halten. Wenn sie unbedingt Eindruck schinden wollen, reichen ein paar simple Tricks.
Die Gläser: Mit der Farbe des Glases ließen sich in einem Experiment selbst Experten reinlegen. Wein aus blauen Gläsern bewerteten sie prinzipiell höher als den aus farblosen Gläsern. Wenn Sie also hinten im Schrank noch blaue Gläser haben, versuchen sie es mal mit diesen. Um deren Form müssen Sie sich keine Gedanken machen: Der ganze Hokuspokus um das richtige Volumen und die optimale Öffnung scheint objektiv betrachtet übertrieben. Versuchspersonen mit verbundenen Augen schmeckten keinen Unterschied, egal wie breit, schmal, flach oder tief das Glas nun war.
Die Beleuchtung: Wenn Ihr Geschirrschrank keine farbigen Gläser hergibt, reicht auch eine bunte Glühbirne. Unter rotem oder blauem Licht schmeckte Versuchspersonen ein Riesling besser als unter grüner oder weißer Beleuchtung.
Verkäufer wissen längst, wie sie Kunden ködern: Erklingt Klassik im Weinkeller, kaufen Kunden teurere Weine. Erinnert die Musik an den letzten Frankreichurlaub, greifen die Käufer eher zu französischen Weinen. Doch Musik täuscht selbst den Gaumen: Als Versuchspersonen die kräftigen Klänge von "Carmina Burana" vorgespielt wurden, bewerteten sie den Wein vor ihnen mehrheitlich als kräftig und schwer. Weiche, samtige Klänge verführten sie dazu, auch den Wein ebenso zu beschreiben. Wer will, kann mit der richtigen CD nicht nur Atmosphäre, sondern auch den Geschmack seiner Gäste beeinflussen.
Der Glaube an die Gesundheit: Die Weinindustrie wird nicht müde, auf die gesundheitlichen Vorteile vor allem von Rotwein hinzuweisen. Die Botschaften scheinen zu verfangen. Wer überzeugt ist, dass Merlot zum Abendessen gesund ist, trinkt häufiger. Als man Versuchspersonen einen Wein anbot, der besonders mit dem angeblich gesunden und antioxidativen Inhaltsstoff Resveratrol angereichert war, zeigten sie sich ungemein interessiert. Den vermeintlichen Gesundheitsnutzen bewerteten sie für ebenso wichtig wie das Alter des Weins. Doch leider ist das Resveratrol hauptsächlich in der Petrischale und in Tierversuchen untersucht. Es gibt zwar eine ganze Reihe Studien, die dem moderaten Alkoholgenuss eine Schutzwirkung für das Herz bescheinigen. Aber sie gelten nicht allein für Rotwein, sondern auch für andere alkoholische Getränke. Die Rotweinhersteller werben nur intensiver mit dieser Wirkung. Dem möglichen Nutzen fürs Herz steht außerdem das Risiko von Abhängigkeit und einer ganzen Reihe weiterer Erkrankungen gegenüber. Unterm Strich, so das Fazit der meisten Experten, ist die Gefahr des regelmäßigen Trinkens größer als sein Nutzen.
Fazit: Egal, was Ihnen der Weinhändler erzählt, trinken Sie nicht täglich. Die meisten Experten raten, mindestens ein bis zwei alkoholfreie Tage pro Woche einzulegen. Kaufen Sie den Wein, der Ihnen schmeckt. Der Fachhandel hat den Vorteil, dass Sie probieren können. Manche Winzer oder Händler verschicken auch Probierpakete. Vieles spricht dafür, dass Sie nicht allzuviel Geld ausgeben müssen, um Genuss am Wein zu haben. Die Tester von Stiftung Warentest fanden ab fünf Euro gute Rotweine. In einem Test des Fernsehsenders n-tv schmeckte gestandenen Sommeliers ein Weißwein aus dem Discounter für 1,99 Euro hervorragend. Wenn Sie sich mit einem Expertenurteil im Rücken sicherer fühlen, halten Sie sich an einen Weinkenner, mit dessen Urteil sie positive Erfahrungen gemacht haben. Wenn Sie Eindruck schinden wollen, können Sie klassische Musik laufen lassen, sich blaue Gläser oder eine blaue Glühbirne anschaffen und bevor Sie die Flasche öffnen ein bisschen mit dem Preis oder der Herkunft der Flasche angeben. Weitere Informationen: Ratgeber Alkohol und Gesundheit Alle Einkaufstipps unserer Serie.