Mehr als 40.000 Artikel liegen in einem durchschnittlichen deutschen Supermarkt aus. Welche taugen etwas? Was nützt, was schadet der Gesundheit? Wie sinnvoll sind Bio-Nahrungsmittel und welche Werbefallen stellt die Lebensmittelindustrie dem Konsumenten? In dieser Serie bewerten wir weit verbreitete Lebensmittel für Sie. Teil 22: Trüffel.
Das Dreifache des Goldpreises zahlte vor kurzem ein Käufer für zwei blasse Knollen: 90.000 Euro für insgesamt 950 Gramm Piemont-Trüffel legte der chinesische Bieter bei einer Auktion auf den Tisch. Was treibt Menschen dazu, ein Vermögen für die wenig ansehnlichen Pilze auszugeben? Ist doch was dran am Mythos als Aphrodisiakum?
Sex im weiteren Sinne ist durchaus im Spiel, wenn die Trüffeln zu voller Reife gelangen. Da die Pilze mehrere Zentimeter unter der Erdoberfläche wachsen, haben sie ein Problem mit der Fortpflanzung: Wie sollen sie ihre Sporen verbreiten? Die Strategie: Sie senden einen Geruch aus, der auf viele Tiere so anziehend wirkt, dass sie die Knollen ausgraben, verspeisen und schließlich die Sporen unbeschadet wieder ausscheiden. Auch Schweine und der Mensch fallen auf diesen Trick der Evolution herein.
Dabei mögen Sauen und Homo sapiens dieselben Knollen: Trüffeln, die ein Pheromon enthalten, das auch im Speichel von Ebern und in geringerer Konzentration im menschlichen Schweiß vorkommt. Androstenol lässt die Sauen verzückt im Erdreich wühlen, denn dieser Duftstoff zieht sie enorm an. Dass er auch das Blut von Frauen in Wallung bringt, wird oft kolportiert, ist aber nicht nachgewiesen. Der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer verweist darauf, dass Androstenol für den Menschen "pissig" rieche und vermutet, dass das potenzielle erotische Wunder wohl nicht der Pilz bewirke, sondern die Brieftasche dessen, der die astronomischen Preise bezahlen kann.
Doch mittlerweile ist dieses Gefühl der Exklusivität leicht zu haben. Jedes mittelprächtige Gasthaus bietet heute Trüffelgerichte an, ganz zu schweigen von der Fleischtheke an der noch die simpelste Wurst getrüffelt zu haben ist. Wie passt das zusammen? Die Verwirrung resultiert wie so oft in der Lebensmittelindustrie aus unscharfen Begriffen. Botaniker bezeichnen alle möglichen unterirdisch wachsenden Pilze als Trüffel. Etwa zehn von ihnen dürfen im deutschen Handel "Trüffel" genannt werden. Doch längst nicht alle dieser Pilze entsprechen dem, was Feinschmecker unter der Delikatesse verstehen.
Echte Kenner leisten sich vor allem die:
- weißen Piemont- oder Alba-Trüffeln (Tuber magnatum), mit einem Handelswert von 1500 - 6000 Euro pro Kilogramm
- schwarzen Périgord-Trüffeln (Tuber melanosporum) mit einem Kilopreis von 800 - 3000 Euro
Als relativ hochwertig gelten zudem die:
- schwarzen Sommertrüffeln (Tuber aestivum) für 400 - 600 Euro pro Kilogramm.
Die meisten anderen Arten schmecken schwächer bis gar nicht nach Trüffeln. Man kann darauf wetten, dass vor allem diese Knollen in den Würsten, Käselaibern und Fertignudeln verarbeitet werden - und würde doch nicht in jedem Fall gewinnen. Was also ist drin in den Trüffelprodukten?
Die offiziellen Regelungen machen es einfach, die Käufer von Trüffelprodukten zu verwirren. Egal welche der zugelassenen Arten im Produkt steckt, die Bezeichnung "Trüffel" ist hierzulande auf jeden Fall rechtens; eine Spezifikation der Art ist nicht vorgeschrieben. Auch die positiv besetzten Begriffe "Schwarze Trüffel" und "Weiße Trüffel" helfen nicht weiter, da selbst minderwertige Pilze diese Namen tragen.
Unabhängig von der Art reichen schon homöopathische Dosen, um die Bezeichnung "Trüffel" aufs Etikett zu drucken. Eine Mindestmenge gibt es nicht. Im Handel sind Absurditäten zu haben, wie Pasta mit Piemont-Trüffeln, die lediglich 0,0006 Prozent am Produkt ausmachen. Der Handelswert dieser Pilze bringt es nicht mal auf einen Cent pro 250-Gramm-Packung. Und selbst der ist zuviel verlangt, denn als Lebensmittelanalytiker des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart die Pastafülle unter das Mikroskop legten, konnten sie keinerlei Spuren des Pilzes nachweisen.
Und dennoch erlebten die Stuttgarter Tester auch positive Überraschungen. Ein lediglich mit "Trüffel" deklarierter Schinken enthielt den recht hochwertigen Sommertrüffel. Ein Käse, der laut Angabe nur "Trüffelaroma" enthielt, offenbarte unter dem Mikroskop ebenfalls einen verhältnismäßig großen Anteil an Sommertrüffeln. "Offenbar kennen sich viele Händler nicht mit Trüffeln aus", erklärt Pat Schreiter, Pilzsachverständige in dem Stuttgarter Amt, die Ergebnisse. Mitunter unterschätzen Verarbeiter und Verkäufer die Qualität der Pilze.
Somit steckt auch nicht immer bewusster Betrug dahinter, wenn ein Produkt nicht hält, was es verspricht. Das kann ebenfalls passieren, wenn eine schlichte Gaststätte plötzlich Trüffelgerichte im Angebot hat. Es ist fraglich, ob die Köche selbst wissen, was genau sie da verarbeiten.
Was taugt Trüffelöl?
Ein eher schlechtes Zeichen ist, wenn Speisen mit Trüffelöl übergossen an den Tisch kommen. "Wenn genügend hochwertige Trüffeln optimaler Reife im Gericht sind, braucht man kein Öl mehr", sagt die Expertin. Das Problem mit den Ölen ist, dass sie häufig mit künstlichen Aromen hergestellt sind. Diese enthalten meist nur die durchdringende Hauptgeruchskomponente der Piemont-Trüffeln, während die Pilze mehr als 30 solcher Komponenten aufweisen. "Die geruchliche Komplexität der Pilze geht damit verloren", sagt Pat Schreiter. "Zudem passt der künstliche Geruch der Alba-Trüffeln nicht zu Sommer- oder Périgord-Trüffeln".
Wer in Deutschland keinen Experten, Händler oder Wirt seines Vertrauens kennt, hat es vor allem als Einsteiger schwer, echte Trüffeln zu finden. Ein wenig mehr Sicherheit hat, wer in Frankreich oder der Schweiz Trüffelprodukte kauft. Das Gesetz schreibt in diesen Ländern sowohl eine Mindestmenge von einem Prozent am Gesamtprodukt als auch die genaue Ausweisung der Trüffelart vor.
Am besten beraten ist, wer in die klassischen Anbauorte reist. In Frankreich, vor allem um das Périgord im Südwesten des Landes herum, werden von Oktober bis März frische Trüffel auf Märkten und Messen angeboten. Die Vereinigung der französischen Trüffelzüchter listet Veranstaltungen auf, deren Ware überprüft wird.
In Italien, besonders im nordwestlich gelegenen Piemont, gibt es von Oktober bis Ende Januar frische Trüffel. Für Neugierige sind die nationale oder eine der regionalen Trüffelmessen ein guter Anlaufpunkt, um die Pilze kennenzulernen und vertrauenswürdige Restaurants oder Händler zu erfragen.
Die einfachste Methode ist, in einem Restaurant ein Gericht mit Trüffelspänen zu essen. Das Nationale Trüffelzentrum Italiens empfiehlt darauf zu achten, dass die Trüffel vor den Augen des Gastes über das Gericht gehobelt werden. Etwa zehn Gramm werden pro Gericht benötigt, für weiße Trüffeln muss mit etwa 30 bis 40 Euro gerechnet werden.
Wer selber Trüffeln einkaufen will, sollte den italienischen Experten zufolge auf folgende Anzeichen achten:
- Aussehen: Der Pilz sollte sauber sein, damit Sie ihn begutachten können. Achten Sie auf eine unbeschädigte Oberfläche. Druckstellen, Kerben oder Löcher lassen ihn leichter verderben.
- Konsistenz: Eine perfekt reife Knolle ist nur leicht elastisch und nicht hart oder gummiartig.
- Geruch: Weiße Trüffeln haben einen charakteristischen Geruch, der die Komponenten Pilz, Honig, Heu, Knoblauch und nasse Erde enthält. Schlägt einem vor allem ein Ammoniakgeruch entgegen, taugt der Pilz nichts. Riecht der Pilz nach gar nichts, ist er möglicherweise nicht reif. Der Geruch der Schwarzen Trüffel erinnert Kenner vor allem an Pilze, Kakao und Moschus.