Tipps für den Einkauf von Joghurt:Wunderwaffen Probiotika?

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Mit enormen Werbeaufwand haben einige Joghurt-Hersteller den Probiotika jahrelang "beinahe Wunderwirkungen zugeschrieben", sagt Oliver Huizinga, Lebensmittelexperte bei der Verbraucherorganisation Foodwatch. Doch der Effekt ist klein und eher schnöde.

Probiotika sind Bakterien, von denen laut wissenschaftlicher Definition mindestens 30 Prozent den menschlichen Darm lebend erreichen sollen. Anders als die herkömmlichen Milchsäurebakterien im Joghurt müssen sie also zu einem guten Teil Magensäure und Gallensalze überstehen. Einmal im Darm angekommen, sollen Probiotika schädlichere Bakterien verdrängen.

Und was hat der Mensch nun davon? "Akuter Durchfall kann eventuell etwas schneller abklingen", sagt Bernward Bisping, Lebensmittel-Mikrobiologe an der Universität Hamburg. In gewissem Maße könne auch dem Durchfall, wie ihn viele Urlauber in südlichen Gebieten durch den Kontakt mit ungewohnten Lebensmittelkeimen erleben, vorgebeugt werden. Praktikabler als in unbekannten Gefilden täglich auf die Suche nach geeignetem Joghurt zu gehen, ist es allerdings, sich vor dem Urlaub Kapseln mit gefriergetrockneten Probiotika-Kulturen in der Apotheke zu besorgen und vor jeder Mahlzeit einzunehmen. Damit ist auch die richtige Dosierung gewährleistet, denn der Aufdruck "mit Probiotika" auf dem Joghurtbecher ist nicht unbedingt eine verlässliche Angabe, wie Öko-Test ebenfalls zeigte.

Doch egal wie sie eingenommen werden: "Probiotika sind kein Freibrief, Ernährungsregeln wie 'Cook it, peel it or forget it' über Bord zu werfen", sagt Bisping. Nimmt man im Ausland zu große Mengen von unvertrauten Keimen auf, helfen auch die Probiotika nicht mehr.

Nun lässt sich mit dieser Wirkung nicht allzu viel Staat machen; schwer vorstellbar ist allein, dass die Hersteller das Wort "Durchfall" auf das Etikett drucken. So behalfen sie sich längere Zeit mit verschwurbelten Ausdrücken wie "hilft der Darmflora" oder "aktiviert die Abwehrkräfte". Doch über die Diarrhoe hinausgehende Wirkungen sind nicht nachgewiesen. Die Werbeversprechen sind mittlerweile auch nicht mehr erlaubt.

Weitgehend unklar ist der Nutzen der Präbiotika. Dies sind Wachstumsstoffe, die die Vermehrung der Probiotika ankurbeln sollen. Sicher ist derzeit nur: Zu viele Präbiotika können das Wachstum von gasbildenden Darmbakterien fördern, sagt Bisping. Der Verbraucher handelt sich im Bemühen, seinem Darm etwas Gutes zu tun, unter Umständen Blähungen ein.

Doch längst haben einige Hersteller ein neues lukratives Gesundheitsversprechen gefunden: die laktosefreien Joghurts. Menschen mit Laktoseintoleranz können den Milchzucker (Laktose) schwer verdauen. Produkte, die keine oder kaum mehr Laktose enthalten, sind daher für sie wichtig. Nur: In jedem Joghurt bauen die Milchsäure-Bakterien die Laktose "ganz von allein sehr weit ab", sagt Bisping. Es sind nur noch geringe Mengen enthalten, die viele Betroffene gut vertragen. Die deutlich teureren laktosefreien Joghurts sind für sie gar nicht notwendig.

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