Mühlhausen ist ein historisches Städtchen, idyllisch in Thüringen gelegen. Schwere Drogenprobleme würde hier wohl niemand erwarten. Dennoch behandelt das psychiatrische Krankenhaus der Region, das Ökumenische Hainich Klinikum, mittlerweile mehr als 250 Crystal-Meth-Konsumenten pro Jahr - Tendenz steigend. Jeder zweite Suchtpatient ist hier dem Methamphetamin verfallen. Chefärztin Katharina Schoett über die Herausforderungen, die die neue Droge mit sich bringt.
Süddeutsche.de: Warum gibt es in Ihrer Gegend so viele Crystal-Konsumenten?
Katharina Schoett: Crystal wird vor allem in Sachsen, Thüringen und Nordbayern, also den Regionen entlang der tschechischen Grenze, vertrieben. In Tschechien wird die Droge billig produziert.
Wieso ausgerechnet in Tschechien?
Möglicherweise hängt die Entwicklung damit zusammen, dass 2010 das tschechische Betäubungsmittelgesetz liberalisiert wurde: Der Besitz von bis zu zwei Gramm Methamphetamin ist seither straffrei. Das scheint die Produktion anzukurbeln. Da es außerdem seit 2004 keine Grenzzollämter mehr gibt, kann die Droge relativ leicht nach Deutschland gebracht werden. Sie ist eher billig und findet allein in den Grenzregionen so viele Abnehmer, dass die Drogenschmuggler gar nicht weiter fahren müssen.
Wer konsumiert die neue Droge?
Genaue epidemiologische Daten fehlen noch. In der Klinik begegnen wir einerseits Menschen, die bereits Drogenerfahrungen haben, zum Beispiel Raver, die zuvor mit Amphetaminen experimentiert haben. Neuerdings beobachten wir auch, dass Patienten aus Methadon-Substitutionsprogrammen rückfällig werden, aber nicht mehr zu Heroin, sondern zu Crystal greifen. Daneben gibt es aber auch ganz neue Gruppen von Konsumenten, die sich selbst kaum als süchtig erleben und mit der Suchthilfe bis dato nichts zu tun hatten. Sie nutzen die Droge als eine Art Dopingmittel im Alltag - oder versuchen, ihren Erlebnishunger mit ihrer Hilfe zu stillen.
Was bewirkt die Droge bei den Konsumenten?
Methamphetamin setzt die Schutzreflexe des Körpers herab. Konsumenten sind beispielsweise vorübergehend nicht mehr müde - und können wesentlich länger arbeiten oder Belastungen, beispielsweise in der Familie, subjektiv besser bewältigen. Die Droge hemmt auch das Hungergefühl und steigert gleichzeitig den Bewegungsdrang. Konsumenten verlieren schnell an Gewicht, was vor allem bei manchen Frauen verfängt. Vorübergehend stellen sich Euphorie und Stimulation ein, aber je stärker solche Glücksgefühle sind, desto heftiger ist leider oft der Absturz beim Nachlassen der Drogenwirkung.
Wie schnell werden die Konsumenten abhängig?
Das kommt auf Persönlichkeitsstruktur und Konsummuster an. Manche werden sehr schnell psychisch und körperlich abhängig. Bei anderen kommt es erst nach mehreren Monaten zu Problemen. Definitiv gehört Crystal zu den gefährlichsten Drogen, die es gibt.