Rauchen:Überleben dank Tabaksteuer

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Höhere Tabaksteuern bewegen Menschen zum Rauchstopp. Davon profitieren auch Passivraucher. (Foto: dpa)

Preiserhöhungen auf Zigaretten haben nach einer Berechnung britischer Forscher Tausende Kinderleben in der EU gerettet.

Von Berit Uhlmann

Im jahrzehntelangen Kampf gegen die Nikotinsucht ist mittlerweile überdeutlich, dass Abschreckung die beste Waffe ist. Deshalb werden scheußliche Bilder auf Zigarettenpäckchen gedruckt, deshalb werden Raucher vielerorts vor die Tür gebeten. Und deshalb erheben Staaten - wenn sie sich denn trauen - happige Steuern auf Tabakprodukte. In Großbritannien beispielsweise kann ein Zigarettenpäckchen gut und gerne zehn Pfund kosten; das sind mehr als elf Euro. Dass von solcherart Preiserhöhungen nicht nur die Staatskasse, sondern auch die Gesundheit der Schutzlosesten profitieren kann, zeigen nun britische und niederländische Forscher.

Im Fachblatt Jama Pediatrics untersuchten Mediziner und Gesundheitswissenschaftler, wie sich Tabakpreise auf die Kindersterblichkeit innerhalb von 23 EU-Ländern auswirkten. Sie fanden überall den gleichen Trend: Zwischen 2004 und 2014 stiegen die Preise für die Zigarettenschachteln deutlich an. Gleichzeitig überlebten immer mehr Kinder das erste Lebensjahr. Zu Beginn des Untersuchungszeitraums starben noch 4,4 von 1000 Babys. Zehn Jahre später waren es nur noch 3,5. Mit jedem Euro, den eine Regierung auf ein Zigarettenpäckchen draufschlug, sank die Sterberate um 0,23 pro 1000 Geburten. Im gesamten Zeitraum - so schätzen die Forscher - wurden durch die Preiserhöhungen mehr als 9200 Kinderleben gerettet.

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Diese Modellrechnung kann nicht ausschließen, dass noch andere Faktoren eine Rolle beim Rückgang der Kindersterblichkeit gespielt haben. Doch auch vorangegangene Studien haben gezeigt, dass die Raucherquote fällt, wenn die Preise steigen. Und dass weniger Qualm im Haushalt Kinder schützt, wissen Ärzte schon lange. Babys rauchender Mütter kommen oft schon untergewichtig und anfällig für Krankheiten auf die Welt. Atmen Säuglinge Rauch ein, beeinträchtigt dies unter anderem die Flimmerhärchen in den Bronchien, sodass sie sich schlecht gegen eindringende Keime wehren können. Solche Babys erkranken dann leichter an Lungenentzündungen und anderen Infektionen der Atemwege. Passivrauchen erhöht zudem das Risiko für den plötzlichen Kindstod.

Dennoch zeigt die aktuelle Studie, dass die kräftige Besteuerung allein kein Allheilmittel ist. Studienautor Filippos Filippidis, von der Londoner Imperial's School of Public Health, sagt: "Dank Steuererhöhungen sind Zigaretten in den EU-Ländern heute teurer als je zuvor. Doch die Tabakindustrie ist gut darin, Schlupflöcher zu finden." So vertreiben die Hersteller Billigzigaretten, um auch Raucher mit geringem Einkommen als Kunden zu halten. Die Niedrigpreise für einzelne Produkte konterkarieren damit die allgemeinen Preiserhöhungen. Die Forscher schätzen, dass ohne diese Taktik noch fast 3200 Kinder mehr vor dem Tod hätten bewahrt werden können. Sie fordern, nicht nur den durchschnittlichen Zigarettenpreis zu erhöhen, sondern auch Kontrollmaßnahmen zu ergreifen, um Billigzigaretten zu verhindern.

Dieses Schlupfloch zu stopfen, ist vor allem deshalb von Belang, da in Haushalten von einkommensschwächeren Familien häufiger geraucht wird. Der Tabakatlas für Deutschland ergibt beispielsweise, dass mehr als die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen mit niedrigerem Sozialstatus mindestens einen rauchenden Elternteil hat. Diese Mütter und Väter stecken sich ihre Zigaretten zudem häufiger im selben Raum an, in dem sich auch die Kinder aufhalten. In Familien mit höherem Status wächst nur ein Viertel aller Kinder mit qualmenden Angehörigen auf. Insgesamt leben 43 Prozent aller Kinder in Deutschland in einem Raucherhaushalt.

© SZ vom 19.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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