Covid-Impfung:Ungeplante Proteine nach mRNA-Impfung: Keine Hinweise auf Schäden

Lesezeit: 3 min

Milliarden Dosen der mRNA-Impfstoffe wurden sicher verabreicht und haben weltweit Leben gerettet. (Foto: Christoph Hardt via www.imago-images.de/IMAGO/Future Image)

Vakzine gegen das Coronavirus können dazu führen, dass der Körper in geringem Ausmaß unbeabsichtigte Eiweiße produziert, zeigt eine Studie. Für negative Effekte gibt es bislang keine Anzeichen.

Impfstoffe gegen das Coronavirus mit mRNA-Technologie können einer Studie zufolge in geringem Ausmaß zur Bildung nicht beabsichtigter Proteine im Körper der Geimpften führen. Das klingt beunruhigend; bislang gebe es aber keine Hinweise darauf, dass dadurch negative Effekte aufgetreten wären, schreiben Forschende um die Biochemikerin Anne Willis von der britischen Universität Cambridge im Wissenschaftsjournal Nature. Die Gruppe empfiehlt dennoch, bei der zukünftigen Entwicklung von Impfstoffen zu versuchen, dieses Phänomen zu vermeiden. Theoretisch könnten die ungewollten Proteine die Wirksamkeit der Impfstoffe mindern, oder es könnte zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen.

Deutsche Fachleute sprechen von interessanten Ergebnissen, sehen aber keinen Grund zur Sorge. "Der beschriebene Effekt, wenn zutreffend, ist nicht gefährlich oder beunruhigend und hat mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auch nichts mit allgemeinen Impfreaktionen oder mit den Nebenwirkungen von mRNA-Impfstoffen zu tun", sagt Julian Schulze zur Wiesch. Er ist Leitender Oberarzt der Sektion Infektiologie und Leiter des Ambulanzzentrums Virushepatologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Die mRNA-Impfstoffe seien insgesamt sicher. Seine Kollegin Marina Rodnina vom Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen sieht das ähnlich: Derzeit gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass solche durch Impfung erzeugten Proteinstücke beim Menschen mit unerwünschten Wirkungen in Verbindung gebracht werden. Wenn jedoch die Produktion so eingestellt werden könne, dass das Phänomen vermieden wird, "sollte dies für die künftige Nutzung der mRNA-Technologie auf jeden Fall geschehen".

"Die Forschung hat zweifelsfrei gezeigt, dass die mRNA-Impfung gegen Covid-19 sicher ist."

mRNA-Impfstoffe enthalten die genetische Bauanleitung für einen Bestandteil jenes Virus, gegen das der Mensch geschützt werden soll. Im Falle der Coronaimpfstoffe sind es biochemische Bauanweisungen für ein Protein auf den Oberflächen der Sars-CoV-2-Viren, mit denen die Erreger Kontakt zu den Zellen ihrer Opfer suchen. Nach diesem Bauplan produzieren die Körperzellen vorübergehend das Virusprotein, was die Immunabwehr des Körpers in Alarmbereitschaft versetzt, bevor es Kontakt mit dem Erreger hatte. Bei diesem Produktionsprozess lesen die molekularen Maschinen der Zelle den genetischen Bauplan der mRNA in Dreierschritten ab. Jeweils drei mRNA-Bausteine geben zusammen die Anweisung, welcher Aminosäure-Baustein als nächster in das Protein eingebaut werden soll, das gerade entsteht. Verschiebt sich dieses sogenannte Leseraster um nur einen mRNA-Baustein, baut die Zelle andere Aminosäuren in das Protein als vom Bauplan vorgeschrieben. Oft bricht die Produktion daraufhin ab.

Die Gruppe um Willis hat herausgefunden, dass es auch beim Ablesen der mRNA-Impfstoffe in seltenen Fällen und auch nur an einzelnen Bausteinen der mRNA zu solchen Leserasterverschiebungen kommen kann. Hinweise auf gesundheitsschädliche Wirkungen der neuen Proteine gebe es jedoch keine. Das Team macht eine chemische Modifikation der mRNA dafür verantwortlich, die zum Beispiel in den Impfstoffen von Moderna und Pfizer verwendet werden. Diese Veränderung am Biomolekül macht den Impfstoff sowohl verträglicher als auch wirksamer. Für diese Entdeckung wurde erst kürzlich der Medizin-Nobelpreis an Katalin Karikó aus Ungarn sowie an den US-Biochemiker Drew Weissman vergeben.

SZ PlusMedizin
:Gesunder Darm, gesundes Kind?

Die Reifung des Mikrobioms von Säuglingen könnte weitreichende Folgen auf ihr späteres Leben haben. Wie kann die richtige Ernährung ideale Startbedingungen schaffen?

Von Christian Heinrich

Die Experimente von Willis und Kollegen zeigten aber nicht nur, dass die Zellmaschinerie durch diese Modifikation gelegentlich ins Stolpern kommen kann, sondern auch, wie sich das verhindern lässt. Dazu designte die Gruppe die mRNA-Moleküle neu, ohne die beim untersuchten Impfstoff identifizierten sechs Stolpersteine, sodass diese zwar den korrekten Bauplan für das gewünschte Protein in den Zellen abliefern, es aber seltener zu Leserasterverschiebungen kommt. "Die Forschung hat zweifelsfrei gezeigt, dass die mRNA-Impfung gegen Covid-19 sicher ist. Milliarden Dosen der mRNA-Impfstoffe von Moderna und Pfizer wurden sicher verabreicht und haben weltweit Leben gerettet", wird James Thaventhiran in einer Pressemitteilung zitiert, er arbeitet in derselben Abteilung wie Anne Willis. "Wir müssen sicherstellen, dass die mRNA-Impfstoffe zukünftig ebenso zuverlässig sind." Er sieht in der Entwicklung einer "stolperfreien" Impf-RNA einen wichtigen Beitrag dazu. "Wir können den fehleranfälligen Code aus der mRNA in Impfstoffen entfernen, sodass der Körper die Proteine herstellt, die wir für eine Immunantwort benötigen, ohne versehentlich auch andere Proteine herzustellen."

Die Molekularbiologin Marina Rodnina aus Göttingen weist darauf hin, dass die Strategie der Kolleginnen und Kollegen aus Cambridge die Wirksamkeit der Impfstoffe beeinflussen könnte. Aber natürlich sollten all diese Strategien "sorgfältig geprüft und in künftigen Experimenten getestet werden". Sie betont auch, dass sie die Häufigkeit der Leserasterverschiebung für sehr gering hält. "Ich würde sogar sagen, dass sie nahe der natürlichen Wahrscheinlichkeit liegt." Dennoch ist nicht auszuschließen, dass die unerwünschten Nebenprodukte in sehr seltenen Fällen oder anderen Anwendungen zu unerwünschten Effekten führen.

Der Molekularbiologe Rolf Marschalek von der Goethe-Universität in Frankfurt sagte dem Wissenschaftsjournal Science, er würde gerne mehr Beweise sehen, bevor er überzeugt ist, dass Leserasterverschiebungen bei modifizierten mRNAs ein relevantes Problem darstellen. Er sehe in der neuen Arbeit keinen Grund zur Sorge um die Sicherheit der mRNA-Corona-Impfstoffe. Es sei, sagt er, "ein viel größeres Problem, dass die Omikron-Variante unterschätzt wird und die Menschen nicht die aktuelle Auffrischungsimpfung erhalten".

Mit Material vom Science Media Center

© SZ/dpa/hach - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusReparatur krankhafter Gene
:"Die Therapie ändert das Leben von Menschen, die keine Hoffnung mehr hatten"

Nur elf Jahre nach der Entdeckung sind die ersten Crispr-Gentherapien nun auf dem Markt. Das Verfahren ist teuer und birgt Risiken - aber auch neue Hoffnung für sehr kranke Menschen.

Von Sina Metz

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: