Medizin:(Kein) Paracetamol in der Schwangerschaft?

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Die Ergebnisse der Studie reichen nicht aus, um die Empfehlungen zu ändern, schreibt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). (Foto: Franka Bruns/AP)
  • Wissenschaftler kritisieren eine Studie, die Hinweise auf Schädigung von Kindern durch Paracetamol im Mutterleib liefert.
  • Die Studie weist methodische Mängel auf.
  • Dennoch sollten Schwangere Schmerzmittel nur nach einer Beratung durch einen Arzt einnehmen.

Von Felix Hütten

Ob gegen Fieber oder Zahnschmerzen: Eine Tablette Paracetamol hat ja wohl noch niemanden geschadet - oder etwa doch? Eine umstrittene Studie, erschienen im Fachmagazin European Psychiatry, warnt Schwangere vor dem Medikament, da es möglicherweise später die Sprachentwicklung ihres Kindes stören könnte - jedoch nur die von Mädchen. Experten wiedersprechen.

In der Studie haben Wissenschaftler 754 Frauen, die in der achten bis 13. Schwangerschaftswoche waren, gefragt, ob und wie viel Paracetamol sie bislang eingenommen haben. Zusätzlich testeten die Forscher den Urin der Schwangeren auf Rückstände des Medikaments. Doch die Untersuchung weist erhebliche Schwächen auf: So berichteten die Patientinnen lediglich aus ihrer Erinnerung über ihren Medikamentenkonsum. Diese Art der Datenerhebung aber ist fehleranfällig. Für eine stichhaltige Analyse wäre zudem neben der Dosierung auch der Moment der Einnahme wichtig, da sich Kinder im Mutterleib besonders in den ersten Wochen rasch entwickeln.

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"Es macht natürlich einen großen Unterschied, ob die Anwendung kurz nach Empfängnis oder in der zehnten Schwangerschaftswoche erfolgt ist", sagt Wolfgang E. Paulus, Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universität Ulm. Auch der in der Studie verwendete Urintest könne lediglich einen kurzfristigen Eindruck vermitteln, da das Medikament im Körper rasch abgebaut werde. "Die Instrumente in der vorliegenden Studie erscheinen relativ grob", so Paulus.

Die Ergebnisse der Studie reichen nicht aus, um die Empfehlungen zu ändern

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weist in einer schriftlichen Stellungnahme darauf hin, dass die Ergebnisse nicht ausreichten, um die Empfehlung von Paracetamol als Schmerzmittel der Wahl in der Schwangerschaft aufzuheben. Die Autoren der Studie selbst schränken ein, dass ihre Daten lediglich Hinweise liefern - und keineswegs als ultimativer Beweis gesehen werden dürften, dass das Schmerzmittel Kinder im Mutterleib schädigt.

Also, viel Aufregung um Nichts? Nicht ganz, denn trotz der wissenschaftlichen Schwächen lassen sich am Beispiel der Studie etliche Probleme in der Medikamentenforschung mit Schwangeren zeigen. Untersuchungen an Schwangeren sind extrem heikel, weil die ungeborenen Kinder geschützt werden müssen. Studien, die keine Beweise sondern nur Hinweise liefern, sind brandgefährlich, da eine falsche Angst vor eigentlich gut untersuchten Schmerzmitteln dazu führen kann, dass Frauen auf noch unsicherere Präparate umsteigen - und damit ihrem Kind erst recht schaden.

Klar ist: Schwangere sollten nur auf Rat des Arztes und niemals leichtfertig Medikamente schlucken. Das gilt auch für freiverkäufliche Medizin wie Paracetamol. Bisherige Studien zeigen, dass die Einnahme von Paracetamol über viele Wochen hinweg und in hohen Dosierungen in der Schwangerschaft besser vermieden werden sollte.

"Vor 20 Jahren wurde Paracetamol als völlig unbedenklich in der Schwangerschaft eingestuft", sagt Wolfgang E. Paulus. Zwar gebe es mittlerweile dank guter Analysen aus Skandinavien ein Umdenken, doch fehle in Deutschland bislang der Wille, verlässliche Daten zum Ausgang von Schwangerschaften zentral zu sammeln und damit eine handfeste Evidenz zu schaffen. "Dies verwundert umso mehr, da wir uns im Mutterland von Contergan befinden. So können wir nur hoffen, dass uns die politische Weitsicht in den skandinavischen Ländern zu Risikoabschätzungen verhilft, zu denen wir in Deutschland bislang nicht fähig sind."

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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