Die Kreatur ist grässlich genug, dass der Mensch gegen sie in den Krieg zog. Der Guinea-Wurm wächst im menschlichen Wirt bis zu einer Länge von einem Meter heran, windet sich bis zum Unterschenkel, wo er die Haut durchstößt, um Tausende Larven in die Umgebung zu entlassen. Der Mensch bekommt das bindfadendünne Tier nur dann aus seinem Leib, wenn er es Tag für Tag ein paar Zentimeter herauszieht und auf ein Stöckchen wickelt. Jede Panik, jede Ungeduld kann den Wurm zerreißen, der verbleibende Teil schwere Infektionen verursachen. Doch auch ohne diese Komplikation drohen Schmerzen und Entzündungen, die Bauern von den Feldern und die Kinder von der Schule fernhalten. "Krankheit der leeren Kornkammern", nennen die Einwohner Malis die Infektion; noch Mitte der 1970er Jahre peinigte sie zehn Millionen Menschen in den tropischen und subtropischen Regionen dieser Welt.
Doch nun bahnt sich im Schatten von Ebola, Dengue-Fieber und Malaria ein historischer Erfolg an. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres wurden weltweit nur noch 55 Fälle registriert. "Die betroffenen Länder - Tschad, Äthiopien und Südsudan - tun alles dafür, bis Ende 2015 alle Übertragungen zu stoppen", sagt Gautam Biswas, der die Kampagne der Weltgesundheitsorganisation gegen den Guinea-Wurm leitet. Die Waffe gegen den Parasiten heißt vor allem Aufklärung. Da der Mensch die Wurmlarven ausschließlich über das Trinkwasser aufnimmt, reichen Filter - zur Not auch ein Stück Stoff über dem Wasserkrug -, um den Parasiten abzuwehren.
Läuft alles wie erhofft, wäre das Leiden nach den Pocken die zweite Infektionskrankheit, die der Mensch besiegt. Und doch kann man aus Biswas' Bilanz schwerlich die Sektlaune heraushören. Allzu oft schon wurde das Zieldatum verschoben, bereits vor 19 Jahren sollte der Wurm besiegt sein. Und nicht nur er: Neben dem Parasiten und den Pocken sollten fünf weitere Krankheiten aus der Biosphäre getilgt, eine Handvoll andere bis zur Bedeutungslosigkeit eingedämmt sein. Die meisten dieser Anstrengungen sind Geschichten von Krisen und Kapitulationen.
Schon in ihrem ersten Kampf hatte sich die Welt massiv verschätzt. Die WHO hatte sich gerade gegründet und in der Aufbruchsstimmung ein vermeintlich leichtes Ziel gesucht. Sie wollte die Frambösie ausrotten, eine bakterielle Infektion, die Haut und auch Knochen zerstört und ihre Opfer schwer entstellt. Ihr Erreger wirkte wie ein Tölpel, immer wenn er zuschlug, schien er sich in Signalfarbe zu verraten: Infizierte bekommen einen Hautausschlag in der Farbe der Himbeere, deren französische Bezeichnung, framboise, der Krankheit ihren Namen verlieh.