Die Bundesregierung verteidigt medizinische Studien mit zugelassenen Medikamenten, sogenannte Anwendungsbeobachtungen (AWB). "Durch verschiedene gesetzliche Regelungen" seien in den vergangenen Jahren "die Voraussetzungen für eine Verbesserung der Qualität" solcher AWB geschaffen worden, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken zum Thema.
Dadurch werde auch ein Missbrauch zu Marketingzwecken verhindert. Die Sorge von Kritikern, wonach es sich bei AWB vornehmlich um Scheinstudien handelt, mit denen Pharmafirmen teure und nicht selten überflüssige Medikamente in den Markt drücken, teilt die Regierung offenbar nicht. Die Grünen wollen dagegen eine Änderung des Arzneimittelgesetzes. Experten fordern, dass Patienten künftig zumindest informiert werden, ob sie in einer AWB beobachtet werden.
Anlass für die Anfrage der Linken waren gemeinsame Recherchen von SZ, NDR, WDR und der gemeinnützigen Redaktion Correctiv, die im März das Ausmaß solcher AWB im deutschen Gesundheitswesen enthüllt hatten. Demnach beteiligt sich jeder zehnte Arzt an solchen Scheinstudien; Pharmafirmen zahlen den teilnehmenden Medizinern bis zu 7000 Euro pro Patient, wenn sie ein bestimmtes Medikament verschrieben. Die Bundesregierung ficht das nicht an. "Art und Höhe der Entschädigung" stünden "in der Regel im Verhältnis zum dargestellten Aufwand", konstatiert sie.
Viele Scheinstudien gibt es in den einzelnen Bundesländern?
Die Antwort zeigt aber auch, dass der Bundesregierung gar nicht klar ist, welches Ausmaß die AWB inzwischen haben und worum es im Detail geht. Wiederholt finden sich in dem Schreiben Formulierungen wie: "Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor." Etwa dazu, wie viele der Scheinstudien in den einzelnen Bundesländern durchgeführt werden. Oder: Bei welchen Krankheiten sie besonders beliebt sind. Oder: Ob die Zuwendungen an die Ärzte zugenommen haben.
Insgesamt beharrt die Bundesregierung auf dem Nutzen der Studien: "Mit Hilfe der AWB können Erkenntnisse aus der Praxis über zugelassene oder registrierte Arzneimittel gewonnen werden", schreibt sie. Dabei hatten wir berichtet, dass Scheinstudien nur selten veröffentlicht werden - und Wissenschaftler sie nicht ernst nehmen.
Am Mittwoch hatte der Gesundheitsausschuss des Bundestags auf Antrag der Grünen über die neuen AWB-Veröffentlichungen debattiert und dazu Experten vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und Bundesärztekammer gehört. Konsens bestand nach Angaben von Teilnehmern darüber, dass Patienten künftig informiert werden sollen, wenn ein Arzt sie im Rahmen einer AWB beobachtet.