Dies ist umso bedeutsamer, da es offenbar nicht einmal eine richtige Gehirnerschütterung braucht, um Schäden in dem Organ hervorzurufen. Schon die Kopfbälle eines Fußballers könnten ausreichen, um die geistigen Fähigkeiten des Sportler ein wenig zu mindern. Das zumindest folgert Anne Sereno von der University of Texas aus ihrer kürzlich veröffentlichten Studie, für die sie ein Dutzend Highschool-Fußballerinnen nach Kopfbällen und harmlosen Zusammenstößen testete.
Wenige Wochen zuvor hatte sich Inga Katharina Koerte von der Universität München die Gehirne von zwölf Profifußballern mit einer speziellen Bildgebungsmethode angeschaut, die bislang alle von einer Gehirnerschütterung verschont geblieben waren. Ihre kickenden Probanden verglich Koerte mit Profi-Schwimmern, in deren Disziplin Kopfverletzungen unwahrscheinlich sind.
In den Gehirnen der als unverletzt geltenden Fußballern entdeckte Koerte "Veränderungen, wie sie von Patienten mit Gehirnerschütterung bekannt sind, nur in leichterer Form". Betroffen war die sogenannte Weiße Substanz in Regionen, die für die Aufmerksamkeitskontrolle, die Verarbeitung optischer Reize und das Erinnerungsvermögen zuständig sind. Die Weiße Substanz ermöglicht die Kommunikation innerhalb des Gehirns - Schädigungen an dieser Stelle sind daher keine Kleinigkeit.
Wie viele Studien in diesem Bereich umfasste auch Koertes nur wenige Teilnehmer, und ihre Schlussfolgerungen formuliert die Forscherin im Fachmagazin Jama sehr vorsichtig. Dennoch machen Untersuchungen wie ihre eine Frage immer drängender: Wie lassen sich Gehirnerschütterungen vermeiden? Das beschäftigt vor allem Sportmediziner zunehmend, wie auch die nun veröffentlichte, aktualisierte Fassung der Leitlinien zum Umgang mit Gehirnerschütterungen zeigt (British Journal of Sports Medicine, Bd. 47, S. 250, 2013).
Zur nächstliegenden Methode, nämlich Helmen und ähnlicher Schutzkleidung, äußern sich die Experten dabei auffallend zurückhaltend. Snowboarder, Ski- und Radfahrer könne ein Helm unbestritten vor Kopfverletzungen schützen - wenn auch unklar ist, ob sie speziell das Risiko für Gehirnerschütterungen senken können. Die machen einer Studie zufolge etwa 70 Prozent aller Kopfverletzungen von Ski- und Snowboardfahrern aus. Das Gegenargument, wonach ein Helm den sich in Sicherheit wähnenden Sportler erst recht zu unvorsichtigem Verhalten verleite, können die Autoren nicht eindeutig entkräften, halten es offenkundig aber auch nicht für gewichtig. Allenfalls bei Kindern müsse man diesen Faktor einbeziehen.
Verallgemeinernd stellen die Autoren allerdings fest: "Es gibt gegenwärtig keinen guten Beleg dafür, dass die derzeit verfügbare Ausrüstung Gehirnerschütterungen verhindert."
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2009, die 51 einzelne Studien zu verschiedenen Sportarten berücksichtigte. Deren Autoren bemängeln vor allem die schlechte Übertragbarkeit vieler Untersuchungen: Nicht alles, was sich in biomechanischen Laboranalysen als effektiver Schutz erweist, hilft dem Sportler auch tatsächlich auf dem Spielfeld.
Und selbst wenn sich eine Ausrüstung als wirksam erweist, bleibt immer noch der Faktor Eitelkeit. So mindert ein vollständiger Gesichtsschutz statistisch gesehen zumindest die Folgen einer Gehirnerschütterung bei Eishockeyspielern, zeigt die Übersichtsarbeit. Doch sie zitiert auch die Bedenken der Sportler - und die fürchten unter anderem, ein voller Gesichtsschutz würde sie ihrer starken und männlichen Ausstrahlung berauben.