Es knallt, und die Welt verschwindet. Für Stefan Ustorf ist sie bis heute nicht wieder so aufgetaucht, wie der Sportler sie bis zu diesem Moment kannte. Vergangene Woche erklärte Ustorf seinen Rücktritt als Eishockeyprofi - 15 Monate, nachdem sein Kopf bei einem Spiel auf den Boden aufgeschlagen war. Seitdem plagt sich der heute 39-Jährige mit den Folgen eines schweren Schädel-Hirn-Traumas. Er fühle, wie sein Körper nach und nach auseinanderfalle, sagte der Ex-Profi kürzlich.
Ustorfs Geschichte ist kein Einzelfall. Etwa 200.000 Menschen erleiden in Deutschland jedes Jahr ein Schädel-Hirn-Trauma. Zwar erwischt es die wenigsten von ihnen so heftig wie den Eishockeyspieler. Die meisten Fälle stufen Ärzte als ein Trauma ersten Grades ein: als Gehirnerschütterung. Die mag auf den ersten Blick zwar kaum bedrohlich wirken. Schließlich machen viele Menschen sie irgendwann im Leben einmal durch, ohne sich noch Jahre später möglicher Folgen bewusst zu sein. Doch zunehmend zeigt sich, welch belastende und lang anhaltende Folgen auch leichte Hirntraumata haben können.
Offenbar kann sogar bereits eine einzige Gehirnerschütterung wichtige Regionen des Organs schrumpfen lassen. Diese sogenannte Atrophie ist bislang als Folge schwererer Verletzungen bekannt. Mit Hilfe einer speziellen Variante der Magnetresonanztomographie (MRT) wiesen Forscher um die Neuroradiologin Yvonne Lui von der Langone School of Medicine der New York University die strukturellen Veränderungen nun auch bei Patienten nach, die ein Jahr zuvor lediglich eine leichte traumatische Hirnverletzung erlitten hatten (Radiology, online). Betroffen waren unter anderem zwei Regionen, die die Stimmung regulieren und an komplexen Denkvorgängen beteiligt sind. Bei Kontrollprobanden schrumpfte das Volumen dieser Regionen im Verlauf eines Jahres nicht. Allerdings betont Lui, andere Forscher müssten die Ergebnisse erst bestätigen, ehe man sie verallgemeinern könne.
Doch die Hirnveränderungen, die auf Luis Tomographie-Aufnahmen zu sehen waren, passten auch mit den Berichten ihrer Patienten und deren Abschneiden in kognitiven Tests zusammen. Die Betroffenen taten sich schwerer, Neues zu lernen, sich zu konzentrieren und sie litten unter depressiven Verstimmungen. All das sind bekannte Spätfolgen einer Gehirnerschütterung, die sich mitunter noch sechs Jahre nach dem Unfall zeigen können, wie der Marburger Neurologe Carsten Konrad vor zwei Jahren berichtete.
Viele Menschen verbinden eine Gehirnerschütterung vor allem mit kurzzeitiger Ohnmacht. Doch nur einer von zehn Betroffenen verliert das Bewusstsein. Die meisten fühlen sich zumindest kurze Zeit benommen, haben Kopfschmerzen, häufig ist ihnen auch übel und sie müssen erbrechen. In gut 80 Prozent der Fälle verschwinden diese Symptome nach etwa einer Woche wieder, ohne dass der Patient mehr tun muss als sich körperlich und geistig zu schonen.
Doch auch wenn die akuten Beschwerden vorbei sind, kann die Verletzung Nachwirkungen haben. So legt eine kalifornische Studie nahe, dass Gehirnverletzungen das Risiko für eine Demenz erhöhen. Und wer häufiger mit dem Kopf gegen Hartes knallt - eine Erfahrung vieler Eishockeyspieler, Fußballer und anderer Sportler - bei dem addieren sich die Schäden vermutlich mit jedem Mal.