Gesundheitssystem:Mehr Effizienz wagen

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"Klinikschließungen" und "Digitalisierung" sind keine Schimpfwörter, wenn es darum geht, die Medizin in Deutschland fit für die Zukunft zu machen.

Kommentar von Felix Hütten

Deutschland hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Egal um welche Krankheit es geht, wer mal im Ausland in einem Krankenhaus behandelt wurde, weiß, dass er stolz sein kann auf das, was Krankenkassen, Ärzte und Pflegekräfte hierzulande leisten.

Andererseits ist das deutsche Gesundheitssystem in Schieflage geraten; es rutschen immer mehr Menschen ab, Patienten, Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte, Angehörige. Dazu zählen nun auch die jüngsten Patienten des Landes, kleine Kinder, die eigentlich die Zukunft vor sich haben sollten. Wenn die Medizin sie vernachlässigt, raubt sie der Gesellschaft ihr Fundament, siehe diesen Artikel.

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50 000 Pflegekräfte fehlen bundesweit, hieß es diese Woche beim "Praxis-Check Krankenhauspolitik". Alle sind sich einig: Das darf nicht sein. Die Frage ist nur: was tun? Und ab da wird es haklig. Ein Vorschlag ist eine bessere Verteilung des nicht gerade geringen Gesamtbudgets (Gesundheitsausgaben 2017: 375,6 Milliarden Euro).

1000 Stunden Arbeitszeit, die man in die Pflege schwerkranker Kinder stecken könnte

Doch immer dann, wenn Begriffe wie Effizienzsteigerung fallen, geraten so manche Ärztevertreter und Angehörigenverbände in Schnappatmung. Das ist schade, denn diese Abwehrreaktion trägt dazu bei, dass sich das Gesundheitssystem weiter verschlechtert.

Beispiel Krankenhauslandschaft. Seit Monaten raten Experten dazu, zahlreiche Kleinstkliniken in Deutschland zu schließen und Ressourcen zu bündeln. Sogar der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gerald Gaß "akzeptiert, dass (...) es einen Abbau von Standorten geben muss", sagte er dieser Woche dem Deutschen Ärzteblatt. Das ist eine löbliche Einsicht, mit der sich die Chance auftut, die Medizin fit zu machen für die Zukunft.

Apropos Zukunft, Beispiel Digitalisierung: Wer ernsthaft den Pflegemangel bekämpfen will, muss - neben vielen weiteren Maßnahmen - die Medizin endlich aus ihrem analogen Tiefschlaf reißen. Das zeigt der Alltag, etwa wenn ein Krankenpfleger bei Patienten Fieber misst. Er muss die erhobenen Werte oftmals mit einem Stift in eine Papierakte eintragen. Das kostet pro Patient schätzungsweise zehn Sekunden. Bei etwa 360 000 Patienten, die täglich stationär in deutschen Kliniken behandelt werden, entspricht das 1000 Stunden Arbeitszeit - nur fürs Fiebermessen.

1000 Stunden für eine Tätigkeit, die via Bluetooth fehlerfrei und automatisch erledigt werden könnte. 1000 Stunden Arbeitszeit am Tag, die man in die Pflege schwerkranker Kinder stecken könnte. Es ist nur ein Beispiel von vielen. Wer also hierzulande eine bessere Medizin fordert, sollte Effizienzsteigerungen mit Kusshand begrüßen. Im Sinne der Patienten.

© SZ vom 14.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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