Nicht nur Chemikalien wie Arsen, Blei, Cadmium und Formaldehyd machen Zigarettenrauch besonders gefährlich. Zwar hatte der Tabakkonzern Philipp Morris auf der Grundlage eigener Forschungen bislang erklärt, Zusatzstoffe in Zigaretten wie Menthol oder Konservierungsmittel würden "nicht wesentlich zur Toxizität" beitragen. Tatsächlich sind die aber offenbar sehr gesundheitsschädlich.
Das ist das Fazit eines internationalen Forscherteams, das bislang geheime Daten des Unternehmens ausgewertet hat. Die Dokumente waren im Zuge von Haftungsklagen öffentlich zugänglich gemacht worden. Ihre Studie, erschienen im Online-Fachmagazin PLoS Medicine, besagt, dass die Tests "zahlreiche negative biologische Konsequenzen" belegen. Die Zusatzstoffe erhöhten den Anteil von 15 krebserregenden Chemikalien wie Arsen, Cadmium, Blei und Formaldehyd im Zigarettenrauch um mindestens ein Fünftel, schreiben die Forscher um Stanton Glantz von der University of California in San Francisco.
Damit seien die Ergebnisse zur Wirkung von 333 Tabak-Zusätzen widerlegt, die im Auftrag von Philip Morris erzielt worden waren. In ihrem aktuellen Artikel werfen die Forscher dem Unternehmen nun vor, es seien bei der ursprünglichen Analyse wissenschaftliche Standards umgangen worden. So seien einige Chemikalien aus unklaren Gründen unterbewertet worden, so dass die Giftigkeit der Stoffe geringer erschienen sei.
Wären die Tests korrekt ausgeführt worden, wäre ein wesentlich breiteres Spektrum an Auswirkungen der Zusatzstoffe aufgedeckt worden, schreiben die Autoren. Auch von "nachträglichen Veränderungen in den Analyseprotokollen" berichten sie. Zur Veröffentlichung der Ergebnisse sei dann ein Herausgeber mit Verbindungen zur Tabakindustrie ausgesucht worden.
Der Lungenchirurg Thomas Kyriss von der Klinik Schillerhöhe in Gerlingen bei Stuttgart, der an der Studie beteiligt war, spricht von gezielter Täuschung: "Der Hersteller hat natürlich die Intention gehabt, dass hinterher herauskommt, was herauskam: nämlich, dass Zusatzstoffe nicht gefährlich sind oder nur in geringem Maße." Um dies zu erreichen, seien wissenschaftliche Standards an einigen Stellen umgangen worden und es sei genau das herausgekommen und veröffentlicht worden, was herauskommen sollte. "Wir als Autorenteam konnten nun nachweisen, dass Zusatzstoffe gefährlicher sind, als Philip Morris das darstellen möchte." In der Fachwelt, so Kyriss, sei es schon länger bekannt, dass es zu gezielten Täuschungen komme - was auch schon vor Gericht nachgewiesen worden sei.
"Im Endeffekt hat dieses Vorgehen mit zu den Millionen-Entschädigungszahlungen geführt, die die Tabakkonzerne seit Ende der 90er Jahre in den USA leisten müssen. Wir haben diese Praxis jetzt das erste Mal bei den Zusatzstoffen nachweisen können", sagte er
Der Tabakkonzern wies die Vorwürfe in einer schriftlichen Stellungnahme zurück. Zusatzstoffe in Tabakprodukten, inklusive Menthol, erhöhten die "inhärente Toxizität von Zigaretten" nicht. Dies habe die Ausgangsstudie gezeigt, ebenso wie "andere von Fachleuten überprüfte, umfassende Studien zum Thema Tabakzusatzstoffe".
Philip Morris warf seinerseits den Autoren der Überprüfungsarbeit vor, nicht sauber vorgegangen zu sein: "Die Autoren des Berichts haben nicht die tatsächlichen Protokolle der Studien studiert, sondern stützen ihre unvollständige Bewertung auf Dokumente aus dem Internet." Die ursprüngliche Analyse dagegen habe sich an etablierte Prinzipien und toxikologische Standardrichtlinien gehalten.
Lungenchirurg Kyriss bleibt bei seiner Kritik: "Es wurden Testzigaretten mit und ohne Zusatzstoffe untersucht. Die Zigaretten mit Zusatzstoffen gaben deutlich mehr Giftstoffe ab. Diese Unterschiede werden in der Veröffentlichung der Tabakindustrie so dargestellt, dass sie geringer erscheinen, als sie tatsächlich waren. Somit beweist die Arbeit, was seit den 1990er Jahren bekannt ist: Zusatzstoffe erhöhen die Giftigkeit des Zigarettenrauchs und tragen dadurch erheblich zur gesundheitsschädlichen Wirkung des Rauchens bei."