Schwerin:HIV-Zahlen in MV: „Es gibt immer noch zu viel Halbwissen“

Lesezeit: 2 min

In Mecklenburg-Vorpommern haben sich 2018 etwas mehr Menschen als im Vorjahr mit dem Immunschwächevirus HIV neu infiziert. Etwa 55 Menschen steckten sich laut...

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Rostock (dpa/lmv) - In Mecklenburg-Vorpommern haben sich 2018 etwas mehr Menschen als im Vorjahr mit dem Immunschwächevirus HIV neu infiziert. Etwa 55 Menschen steckten sich laut Schätzungen des zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) 2018 im Nordosten an. Grundsätzlich müsse man mit den Schätzungen immer vorsichtig umgehen, meinte Sozialarbeiter Robert Holz vom Centrum für Sexuelle Gesundheit in Rostock. Dass die Neuinfektionsraten im Osten etwas höher seien, liege daran, dass die HIV-Epidemie erst in den neunziger Jahren nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen sei. Entsprechend viele spätdiagnostizierte Menschen mit HIV gebe es jetzt.

Die medizinische Versorgung von HIV hat sich laut Holz deutlich verbessert. Umso problematischer sei die bestehende Diskriminierung: „Es gibt immer noch viel Halbwissen - im Alltag kann HIV nicht übertragen werden.“ Gerade in der medizinischen Versorgung sei dies ein großes Thema. „Wir raten unseren Klienten ab, ihre HIV-Infektion gegenüber Ärzten offen zu legen, wenn es nicht für die Behandlung notwendig ist.“

2015 bat eine Mitarbeiterin der Aidshilfe zahlreiche Zahnärzte in Mecklenburg-Vorpommern mit Hinweis auf ihre HIV-Infektion um einen Termin. Zwei Drittel der Zahnärzte lehnte sie ab. Daraufhin startete die deutsche Aids-Hilfe mit der Bundeszahnärztekammer eine Informationskampagne. Aus seiner Beratungspraxis kennt Holz aber auch heute noch Fälle, bei denen Menschen mit HIV wegen angeblich notwendiger besonderer Desinfektion auf den letzten Termin am Freitag gelegt würden oder Krankenakten, auf denen für andere Patienten gut lesbar HIV geschrieben stehe. „Die normalen Hygienemaßnahmen reichen vollkommen aus“, stellte der Sozialarbeiter klar.

Der Präsident der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, Dietmar Oesterreich, verwies darauf, dass HIV auch für Menschen im Gesundheitsbereich lange ein bedrückendes Bedrohungspotenzial gehabt habe. „Das aus den Köpfen herauszubekommen, ist ein zäher Prozess, der nur mit kontinuierlicher Aufklärung gelingt.“ Die damalige Kampagne habe aber gefruchtet, sagte Oesterreich mit Blick auf eine Umfrage der Deutschen Aids-Hilfe von 2017, nach der in Mecklenburg-Vorpommern 55 Prozent der getesteten Zahnarztpraxen HIV-positive Menschen uneingeschränkt einen Termin gaben. 10 Prozent vergaben keinen Termin. „Wir sind mit dem Ergebnis noch nicht zufrieden. Aber die Richtung ist vielversprechend.“

Nach den Zahlen des RKI leben bundesweit etwa 88 000 Menschen mit HIV, 1000 davon in Mecklenburg-Vorpommern. Männer sind etwa fünfmal häufiger infiziert als Frauen. Die große Mehrheit der Menschen mit HIV wird behandelt, aber etwa jeder fünfte Betroffene im Nordosten weiß nichts von seiner Infektion und kann so unwissentlich weitere Menschen anstecken. In vielen Beratungsstellen kann man sich anonym und kostenlos testen lassen.

Der mit Abstand häufigste Übertragungsweg ist der Sex zwischen Männern, gefolgt von heterosexuellen Kontakten und intravenösem Drogenkonsum. Die Übertragung durch Blutprodukte ist heutzutage nahezu ausgeschlossen. Das Virus wird ausschließlich über Blut, Sperma, Vaginalsekret oder durch Muttermilch übertragen. Schutz vor Infektionen bieten vor allem Kondome beim Sex und saubere Spritzen beim Drogenkonsum.

HIV verursacht unbehandelt Jahre nach der Infektion das Immunschwächesyndrom Aids und führt ohne Therapie zum Tod. Mit Medikamenten kann der Ausbruch der Krankheit Aids verhindert werden, Infizierte haben dann die gleiche Lebenserwartung wie Nicht-Betroffene. Eine Studie im Fachmagazin Lance wies zudem 2019 nach, dass bei adäquater Therapie auch bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr zwischen Männern eine Ansteckung ausgeschlossen ist.

Am Sonntag (1. Dezember) ist Welt-Aids-Tag. Unter dem Motto „Du hast HIV? Damit komme ich klar!“ ruft die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zu mehr Solidarität und einen offenen Umgang mit HIV-positiven Menschen im Arbeitsleben auf. „Ziel des Welt-Aids-Tages in diesem Jahr ist es, über die Krankheit aufzuklären, mit Vorurteilen aufzuräumen und Ängste abzubauen“, erklärte Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU). Wichtig sei es, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren und Wissenslücken zu schließen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: