Gesundheit:Kassenärzte: Bürger-Beteiligung und mehr Psychotherapeuten

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Inflation, politische Vorgaben und Medizinermangel: Die Kassenärztliche Vereinigung hält eine Beteiligung der Bürger an den Behandlungskosten für unvermeidbar. Aber: „Sozial abgefedert“

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Mainz (dpa/lrs) - Eine sozial abgefederte finanzielle Beteiligung der Patienten an ihren Behandlungen, rund 200 neue Kassensitze für Psychotherapeuten sowie mehr Geld vom Staat für die ärztliche Weiterbildung der Mediziner fordert die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV). Die Pläne der Landesregierung, fünf Ankerzentren für Menschen mit Long- oder Post-Covid einzurichten, hält der Vorstand der Berufsvertretung für schwer umsetzbar und nur bedingt sinnvoll.

„Wir müssen Mechanismen finden, dass die Patienten Mitverantwortung für das eigene Solidarsystem übernehmen“, forderte der KV-Vorstandsvorsitzende Peter Heinz am Donnerstag in Mainz. Damit werde auch der Druck auf die Pharmaindustrie erhöht, preiswerter zu produzieren. Die in der KV zusammengeschlossenen Ärzte bekämen im Jahr 550 Euro pro Bürger von den Krankenkassen „für die gesamte ambulante Versorgung“. Heinz forderte eine Selbstbeteiligung von fünf Prozent pro Patienten und Jahr, maximal 27,50 und „sozial abgefedert“ für einkommensschwache Patienten und Familien. Erhoben werden solle das Geld von den Krankenkassen.

Beim Besuch des ärztlichen Bereitschaftsdiensts, den die Bürger im Schnitt etwa alle 15 Jahre in Anspruch nähmen, müssen nach Vorstellung der KV pauschal 20 Euro bezahlt werden. „Deutschland steht bei den Arztbesuchen an der Spitze.“ Und der ärztliche Bereitschaftsdienst werde zu oft unnötigerweise aufgesucht.

„Wir brauchen dringend eine Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung, angepasst an die Versorgungsrealität“, sagte Peter Andress Staub vom Vorstand. Die in der Bedarfsplanung des Bundes vorgegebene Zahl der Psychotherapeuten sei im Land ungleich verteilt und zudem zu niedrig, sagte der Psychotherapeut. In Mainz etwa komme ein Therapeut auf 3173 Einwohner, in anderen Städten, die das Umland mit versorgten seien es etwa doppelt so viele. „Es kommt darauf an, wie ein Landkreis eingeordnet wird.“ Insgesamt fehlten etwa 200 Kassensitze im Land, obwohl im Ahrtal gerade 2,75 neue Stellen für Erwachsene und eine halbe Stelle für einen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten bewilligt worden seien. Landesweit gibt es Staub zufolge knapp 1000 Sitze.

Gesundheitsminister Clemens Hoch sieht das ähnlich und hatte bereits im November an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) geschrieben und gebeten, für mehr Therapieplätze - insbesondere für Kinder und Jugendliche - zu sorgen.

Die KV verlangt zudem eine andere Finanzierungsqualität der Weiterbildung für Allgemein- und Fachärzte. Anders als etwa bei den Juristen müsse die KV aus den Arzthonoraren einen erheblichen Teil übernehmen, so die Kritik.

Für die von der Landesregierung geplanten fünf Ankerzentren oder Anlaufstellen für Menschen mit Long- und Post-Covid-Symptomen im Bundesland fehlen nach Einschätzung der KV Ärzte und medizinisches Personal. Die richtige Behandlung sei zudem noch unklar und „eine Struktur ohne die Erkenntnis, was ich machen muss, nicht so schlüssig“, sagte Heinz. Sinnvoller sei es, die Patienten erstmal entsprechend ihrer Beschwerden vom entsprechenden Facharzt behandeln zu lassen. „Bei den meisten entwickelt es sich aber im Laufe der Zeit zum Guten“, betonte der Allgemeinmediziner.

Die Finanzierung der Ankerzentren sei auch unklar, die Krankenkassen hätten der KV dazu noch nicht geantwortet, das Ministerium erwarte aber, dass sich Kassen und KV einigten, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Anästhesist, Andreas Bartels. Die vorgesehenen 50.000 Euro der Landesregierung pro Ankerzentrum seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

© dpa-infocom, dpa:230427-99-471908/3

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