Nienburg/Weser (dpa/tmn) - Mit Rheuma zu leben - das heißt meist auch, mit Medikamenten zu leben. Vor allem bei rheumatoider Arthritis haben die Medikamente neben der Schmerzlinderung die wichtige Funktion, dauerhafte Schäden an den Gelenken zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen.
Heilen können sie die Krankheit, die die häufigste entzündliche Gelenkerkrankung ist, nicht. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie leiden rund 550 000 Menschen an rheumatoider Arthritis. „Und manche Patienten müssen erfahren, dass die Beschwerden trotz einer erfolgreichen medikamentösen Therapie zunächst andauern“, sagt Reinhard Hein, niedergelassener Rheumatologe und Arzt für Naturheilverfahren in Nienburg/Weser. Das frustriert und macht es erst recht schwierig, die chronische Krankheit als Teil des Lebens zu akzeptieren. „Die Diagnose Rheuma bedeutet immer einen großen Einschnitt“, sagt Cornelia Baltscheit. Die Psychologin hat selbst Rheuma und ist Vorstandsmitglied im Berliner Landesverband der Deutschen Rheuma-Liga, der Selbsthilfeorganisation für Rheuma-Patienten.
Naturheilverfahren erscheinen dann als verlockende Alternative: Sie gelten als sanfter, von weniger Nebenwirkungen begleitet. Und sie sind in der Rheumatherapie tatsächlich einen Blick Wert, sagt Hein - nicht als Alternative, aber als Ergänzung zur Schulmedizin.
Neben der Behandlung mit Heilpflanzen fallen darunter auch Wasseranwendungen, Ernährungs- oder Bewegungstherapien. Nachtkerze, Borretsch, Brennnessel oder Krallendorn sind solche Pflanzen, wie Roman Huber erläutert. Er ist Leiter des Uni-Zentrums Naturheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg. Einzelne Patienten erlebten dadurch eine Besserung der Symptome, sagt Huber. Aber: „Insgesamt ist die Wirksamkeit der bisher in Deutschland verfügbaren Phytotherapeutika sowohl von der Studienlage wie auch von der klinischen Erfahrung her bei der rheumatoiden Arthritis als eher gering einzuschätzen.“
Größere Erfolge beobachtet Huber, wenn die Patienten auf eine vegane Ernährung umstellen. Aber die Erfahrung zeigt auch: Es gibt keine „Rheuma-Ernährung“, die jedem Betroffenen hilft. Ausprobieren ist die einzige Möglichkeit, um herauszufinden, wie der Körper reagiert. „Wir empfehlen den Patienten, die vegane Ernährung drei Wochen lang zu praktizieren. Ein erster Effekt stellt sich nach drei Tagen ein, die maximale Wirkung nach drei Wochen. Die Patienten können dann selbst entscheiden, wie sie mit dieser Erfahrung umgehen“, sagt Huber.
Denn auch das ist ein wesentlicher Aspekt der naturheilkundlichen Therapien bei Rheuma: Der Patient lernt Möglichkeiten kennen, auf das eigene Befinden Einfluss zu nehmen. Das kann auch ein kalter Quarkwickel sein, der die akuten Schmerzen lindert.
Ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt sollte man allerdings keine naturheilkundliche Therapie beginnen. „Die Naturheilverfahren dürfen nicht isoliert von der übrigen Therapie oder sogar als Ersatz von wissenschaftlich notwendigen Behandlungsmaßnahmen angewendet werden“, betont Hein. Denn sonst bestehe die Gefahr, dass nicht wieder gut zu machenden Gelenk- oder Gewebeschäden bleiben.
Wer auf die Behandlung Wert legt, sucht am besten nach einem Arzt, der eine Zusatzausbildung in Naturheilverfahren hat. Auch einige Kliniken bieten verbinden Schulmedizin und Naturheilkunde. Die Kosten werden oft von den Krankenkassen übernommen. Bei ambulanten Anwendungen wird die Erstattung aber unterschiedlich gehandhabt. Deshalb sollte man sich schon vorab bei seiner Kasse informieren.
„Auf der Suche nach Linderung greifen viele Patienten zu jedem Strohhalm“, sagt Baltscheit. Das macht den Markt auch für unseriöse Anbieter interessant. Wappnen kann man sich, indem man nach Studien fragt und sich mit Betroffenen austauscht. „Besondere Vorsicht ist immer geboten, wenn jemand verspricht, entzündliches Rheuma zu heilen, denn Rheuma ist bisher nicht heilbar.“