Schon mal Don Quijote gelesen? Schon mal über diese Stelle gestolpert? "Don Quijote entrichtete der Natur seinen Zoll, indem er dem ersten Schlummer unterlag, aber den zweiten gestattete er sich nicht; ganz im Gegensatze zu Sancho, der einen zweiten Schlaf nicht kannte". Die meisten lesen wohl darüber hinweg. Nicht so der Historiker Roger Ekirch von der Virginia Tech University.
Ihn ließen diese und andere Erwähnungen des ersten und zweiten Schlafes nicht mehr los. Er wühlte sich durch Dramen, Traktate, Tagebücher, fand mehr als 500 verschiedene Zitate, die ihm klar machten: Der Mensch schlief jahrhundertelang in zwei Blöcken von je etwa vier Stunden. Dazwischen war er eine Stunde lang wach. Diese Stunde war kein quälendes Im-Bett-Wälzen, sondern eine veritable Tageszeit: Die Menschen lasen, erzählten sich Geschichten und besuchten Nachbarn. Gelehrte empfahlen die Stunde zum besonders ergiebigen Studieren, Ärzte zum Kinderzeugen und die Kirche zum Beten. Eine ganze Reihe von Gebetsbüchern war einzig der wachen Nachtstunde gewidmet.
Chronobiologie:Schlafen geht anders
Verfechter des regelmäßigen 8-Stunden-Schlafes haben Unrecht: Astronauten, Polarforscher und Einhandsegler zeigen, dass man auch unter extremen Bedingungen eine erholsame Nacht verbringen kann.
Dann setzte eine Erfindung diesem Rhythmus ein Ende: Die Glühbirne trat ins Leben der Menschen und verlängerte den Tag. Man verlegte zunehmend Aktivitäten auf den Abend; für die nächtliche Stunde blieb keine Zeit und Kraft mehr.
Dass die mittelalterlichen Schlafgewohnheiten mehr als eine historische Anekdote sein könnten, legen Experimente nahe. US-Schlafforscher Thomas Wehr ließ Versuchspersonen täglich 14 Stunden in kompletter Dunkelheit verbringen. Nach einigen Wochen zeigte sich ein Muster, das den mittelalterlichen Beschreibungen sehr ähnlich war. Die Probanden teilten den Nachtschlaf in zwei Phasen - mit einer Stunde Pause, die sie in sehr entspanntem Zustand verbrachten.
Einschlafhilfen:Zehn Tipps für eine geruhsame Nacht
Der Stress nähert sich seinem Höhepunkt, der dringend benötigte Schlaf stellt sich nicht ein. Was hilft, zur Ruhe zu kommen.
Sollten wir nun alle Zweiphasenschläfer werden? Eher nicht. Die Lehre aus diesen Erkenntnissen ist vielmehr: Anders als von Pharmafirmen und Matratzenherstellern suggeriert, ist der achtstündige ununterbrochene Schlaf kein Naturgesetz. "Durchschlafen ist nicht zwingend", sagt Peter Geisler, Leiter des Schlaflabors am Bezirksklinikum Regensburg. Nächtliches Aufwachen ist vielmehr "ist ein ganz normales Phänomen und nicht krankhaft".
Ohnehin erleben die meisten Schlafenden viel mehr Unterbrechungen, als sie glauben: Bis zu zehn Mal pro Stunde erwachen sie für einige Sekunden, bis zu 23 Mal pro Nacht sind sie länger als eine Minute wach - ohne etwas davon zu bemerken. Erst wenn die Wachphase länger als fünf Minuten anhält, wird der Mensch sich dessen bewusst. Dies passiert etwa ein bis viermal pro Nacht. Wer noch häufiger fünf Minuten oder länger wachliegt, empfindet seinen Schlaf als gestört.
Geisler hält das Aufwachen für einen genetisch verankerten Schutzmechanismus. Jahrtausendelang war die Schlafumgebung nicht so sicher wie heute. Es war überlebensnotwendig, das Umfeld auch nachts immer mal wieder zu überprüfen. Ob jemand diesem Ur-Mechanismus auch heute noch häufiger folgt, ist in erster Linie eine Frage der Veranlagung.
Für alle, die häufig oder auch nur gelegentlich wachliegen, ist am wichtigsten, so der Schlafmediziner, sich nicht über das Aufwachen zu sorgen: "Wer merkt, dass er sich über das nächtliche Wachliegen ärgert, sollte lieber aufstehen und einer ruhigen Beschäftigung wie Lesen nachgehen". Möglicherweise macht er dann noch ganz andere Entdeckungen über die Vielseitigkeit des Schlafs.