Coronavirus:Abstrich am Hotspot

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Derzeit werden sehr viele Reiserückkehrer getestet. Labore gelangen an ihre Grenzen (Symbolbild: Corona-Test in der kroatischen Hauptstadt Zagreb). (Foto: Denis Lovrovic/AFP)

Ein Projekt in Jena soll zeigen, wie vorbeugendes Testen im Kampf gegen die Pandemie hilft.

Von Kathrin Zinkant

Engpässe, Kapazitätsprobleme, Reagenzienmangel - die Labore für Corona-Testungen haben in Deutschland gerade ihre Not, der Ruf nach einer klaren Strategie wurde in den vergangenen Tagen und Wochen lauter. Geschehen aber ist bislang wenig. Die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen haben in einer Telefonkonferenz mit der Kanzlerin Ende vergangener Woche zwar abermals festgestellt, Testungen seien "von entscheidender Bedeutung für die Eindämmung von Corona-Infektionsketten und damit die Verhinderung unkontrollierter Ausbruchsgeschehen". Im Rahmen der "Teststrategie", so heißt es im Beschlusstext allerdings auch, würden "symptomatische Verdachtsfälle und enge Kontaktpersonen wie bisher prioritär getestet". Ist das wirklich eine Strategie - oder nur der fortgesetzte Versuch, einfach so viel zu testen wie möglich?

Experten wünschen sich jedenfalls längst eine gänzlich neue Herangehensweise beim Testen, die jenseits einer Suche nach einzelnen Infizierten auch das große Ganze im Auge behält, und zwar möglichst zeitnah. In welchen Gruppen breitet sich das Virus plötzlich und rasch aus? Wie lassen sich Ausbrüche früh genug erkennen, um mit Maßnahmen möglichst viel zu bewirken?

In Thüringen sollte nun ein Projekt umgesetzt werden, das als "Bewegungsmelder" womöglich eine strategische Orientierung geben kann. Forscher um die Gesundheitsexpertin Petra Dickmann von der Universität Jena haben ein Konzept für strategische Testungen erarbeitet. Es geht darum, so früh wie möglich Orte und Gegebenheiten einzukreisen, in denen der Erreger sich beginnt auszubreiten.

Manche Infektionen wirken wie Brandbeschleuniger in der Pandemie

Das Projekt stützt sich deshalb nicht darauf, Einzelpersonen auf Viruserbgut zu testen, nachdem diese Menschen Kontakt mit einem Infizierten hatten - oder von denen man wissen will, ob sie das Virus aus dem Ausland mitbringen. Gerade der Eintrag von außen spielt im gegenwärtigen Infektionsgeschehen nur noch bedingt eine Rolle, denn das Virus ist ja längst da. Es kann jederzeit zuschlagen. Alles, was es braucht, sind Gelegenheiten. Und wie Forscher inzwischen wissen, gibt es für das Virus besonders günstige Gelegenheiten - Zusammenkünfte von vielen Menschen in großer sozialer Nähe, vorzugsweise in geschlossenen und schlecht belüfteten Räumen.

Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe gut dokumentierter Ausbrüche dieser Art - in Schulen, Altersheimen, aber auch auf Privatpartys, beim Essen im Restaurant, auf der Chorprobe oder während einer prekären Beschäftigung als Schlachter oder Erntehelfer. Sie machen zwar nur einen Teil der Infektionen aus, sind jedoch die Brandbeschleuniger in der Pandemie. Bislang mussten die Behörden diesen Ausbrüchen hinterherarbeiten, nachdem die ersten Virusopfer erkrankt waren und sich schließlich testen ließen. Oft zu spät, um weitere Ansteckungen zu verhindern.

"Eine Pandemie ist kein biomedizinisches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem", sagt Petra Dickmann. "Wir müssen umdenken, von der Individualtesterei hin zu einem Public-Health-Ansatz kommen." Gemeinsam mit ihren Kollegen will die Expertin für Öffentliche Gesundheit und Sicherheitsfragen im Seuchenmanagement in den kommenden Monaten Menschen stichprobenartig und unabhängig von akuten Verdachtsmomenten auf das neue Coronavirus testen - an "sensiblen Orten" in der Gesellschaft, wie sie sagt. Dazu gehören Schulen, Pflegeheime, Veranstaltungen wie Vereinstreffen und Gottesdienste sowie Fabriken.

Geplant ist, wöchentlich pro 100 000 Einwohner 1200 Menschen an entsprechenden Orten in Jena und Umgebung um eine Probe zu bitten. Die Proben sollen allerdings nicht einzeln getestet werden, sondern in sogenannten Pools. Dafür wird aus jeweils zehn Einzelproben eines Ortes eine Testprobe gemischt. Ein regionales Netzwerk von fünf oder sechs Laboren testet dann zunächst diese gepoolten Proben. Finden die Analytiker das neue Virus in einem der Pools, können sie Einzelproben nachtesten - während an den Orten, an denen das Virus aufgetaucht ist, bereits Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen werden können. "Auf diese Weise benötigen wir für die strategische Testung nur wenige Tests, es gibt dann noch Kapazitäten für die Verfolgung der Ausbrüche", sagt Dickmann.

Die Labore wollen innerhalb eines Tages Ergebnisse liefern

Es ist nur eine Möglichkeit eines strategischen Konzepts, und die Details sind nicht in Stein gemeißelt. So sieht der Plan bislang noch vor, die bisher übliche, aber langwierige PCR als Analysemethode zu verwenden - wegen ihrer Verbreitung und Präzision. Die Zusammenarbeit im Labornetzwerk soll sicherstellen, dass die Ergebnisse noch am selben Tag vorliegen. Dickmann hält es aber für möglich und sinnvoll, auf andere, schnellere Testmethoden umzusteigen, um noch zügiger Ergebnisse zu erhalten, sobald derartige neue Methoden auch hinreichend überprüft worden sind.

Doch immerhin, es ist ein Plan - und er könnte Einsichten bieten, die als Grundlage für weitere, weniger regional angelegte Strategien dienen. Was dem Projekt jetzt allerdings noch fehlt, ist die Zustimmung der Landesregierung in Thüringen. Eigentlich wollte das Projektteam nach der Pilotphase im August mit Tests in fünf Landkreisen des Bundeslands beginnen und bis zum Januar alle 23 Landkreise erfassen.

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