Coronavirus:Schutz nach der Ansteckung

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Es gibt Hinweise, dass Sars-CoV-2-Reinfektionen zumeist mit weniger Symptomen einhergehen. (Foto: Niaid-Rml/dpa)

Neue Daten aus Dänemark zeigen: Wer sich bereits mit Sars-CoV-2 infiziert hat, ist für etwa ein halbes Jahr weitgehend immun.

Von Werner Bartens

Je länger die ersten Infektionen mit Sars-CoV-2 zurückliegen, desto drängender stellt sich eine Frage: Wie groß ist eigentlich der Schutz vor einer neuerlichen Ansteckung, wenn man die Erkrankung bereits durchgemacht hat? Im vergangenen Frühjahr hielten es Wissenschaftler nahezu für ausgeschlossen, dass es bald wieder zu einer Infektion kommen könnte, wenn sich jemand nachweislich angesteckt hatte. Dann wurde von Einzelfällen berichtet, bei denen unklar blieb, ob die erste wie auch die zweite Ansteckung zweifelsfrei stattgefunden hatten. Zunehmend zeigte sich nun: Eine Infektion mit Sars-CoV-2 schützt einige wenige Monate, danach sind Vorhersagen kaum möglich.

Wissenschaftler aus Kopenhagen haben nun an einer großen Bevölkerungsgruppe untersucht, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, sich erneut anzustecken. Ihre Ergebnisse sind im Fachmagazin The Lancet erschienen. Für ihre Studie werteten die Forscher um Christian Holm Hansen Testergebnisse von mehr als 500 000 Dänen aus, die zunächst im Frühjahr und dann wieder im Zeitraum zwischen Anfang September und Ende Dezember 2020 getestet worden waren.

Von den mehr als 11 000 Dänen, die während der ersten Welle positiv getestet worden waren, wurden in der zweiten Welle im Herbst 72 erneut positiv getestet. Das entspricht weniger als einem Prozent - dieser Wert wurde bisher auch in anderen Studien aus den USA und Großbritannien angegeben. Daraus errechnet sich mathematisch ein um 80,5 Prozent vermindertes Risiko, sich nach einer Infektion innerhalb eines halben Jahres erneut anzustecken, was angesichts des absoluten Risikos als weitgehender Schutz oder "großartig" zu bewerten ist, wie Forscher in den sozialen Medien kommentieren. Zwischen Männern und Frauen gab es keine Unterschiede im Risiko für eine Reinfektion.

Ältere sind offenbar etwas schlechter geschützt als Jüngere

Allerdings fällt der Schutz vor einer neuerlichen Infektion offenbar nicht in allen Altersgruppen gleich stark aus. "Bei jenen, die unter 65 Jahre alt sind, bietet eine Infektion mit Sars-CoV-2 zu etwas mehr als 80 Prozent Schutz vor erneuter Ansteckung", schreiben die Autoren. "Doch unter den Älteren, die über 65 sind, liegt die Schutzwirkung nur bei knapp 50 Prozent." Allerdings gab es in dieser Altersgruppe nicht sehr viele Teilnehmer, sodass die Befunde erst in weiteren Untersuchungen überprüft werden sollten. Würden sich die Daten bestätigen, könnte das Risiko für eine Neuansteckung an den im Alter nachlassenden Fähigkeiten des Immunsystems liegen. Dies spricht nach Einschätzung der dänischen Wissenschaftler dafür, Ältere besonders zu schützen und bevorzugt zu impfen, zumal sie ja auch schwerere Verläufe zu befürchten haben. "Um diese Gruppe müssen wir uns besonders kümmern", sagt Steen Ethelberg, der an der Studie beteiligt war.

Die dänischen Wissenschaftler haben landesweite Registerdaten ausgewertet, aber keine weiteren Informationen darüber, ob jene Menschen, die sich reinfiziert haben, nach der ersten Ansteckung asymptomatisch waren, oder wie schwer ihre Verläufe waren. Ob es sich eventuell um Virus-Mutanten handelt, die die neuen Infektionen ausgelöst haben, ist ebenfalls nicht erfasst worden. Bisher sprechen einige Befunde dafür, dass heftigere Beschwerden eher davor schützen, sich erneut zu infizieren, während ein milder Verlauf nicht so guten Schutz bietet. Immerhin gibt es Hinweise, dass die Reinfektionen zumeist mit weniger Symptomen einhergehen. Vermutlich verfügt das Immunsystem noch über Abwehrkräfte, die zwar keine Ansteckung verhindern können, aber das Virus einigermaßen in Schach halten.

In früheren Studien hatte eine Untersuchung im Nahen Osten einen Schutz von 95 Prozent vor Reinfektionen ergeben. Eine Studie aus Großbritannien mit Mitarbeitern aus dem Gesundheitswesen kam zu dem Schluss, dass für mindestens fünf Monate nach der ersten Ansteckung ein Schutz von 83 Prozent vor einer weitere Infektion besteht, Untersuchungen aus den USA kamen zu ähnlichen Daten. Diese Studien dauerten jeweils fünf, sechs und sieben Monate, und währenddessen schwankte die Schutzwirkung nicht nennenswert. "Es ist erfreulich, dass es über diesen Zeitraum keine Unterschiede im Schutz vor einer Reinfektion gab", sagte die Immunologin Marion Pepper von der University of Washington in Seattle der New York Times. Über deutlich längere Zeiträume lässt sich wenig sagen, weil die Pandemie dazu noch zu jung ist.

Jüngste Empfehlungen zur Impfung tragen den Erkenntnissen zum vermutlich mindestens halbjährigen Infektionsschutz nach einer Ansteckung bereits Rechnung. Die Ständige Impfkommission (Stiko) rät dazu, dass sich Menschen, die bereits mit Sars-CoV-2 infiziert waren, erst sechs Monate nach der Erkrankung impfen lassen. Da auch dann noch Antikörper nachgewiesen werden und also offenbar ein Restschutz besteht, wird derzeit aber nur eine Impfung empfohlen - das reicht offenbar zur Auffrischung. "Impfungen sind auf jeden Fall auch für jene nötig, die bereits infiziert waren, da man sich auf den natürlichen Schutz nach einer Ansteckung nicht verlassen kann", schreiben die Wissenschaftler aus Kopenhagen. Allein auf die vorherige Infektion zu setzen, würde also eine trügerische Sicherheit vermitteln.

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