Covid-19:Dem Coronavirus sind Landesgrenzen egal

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Vor dem Gebäude der Nationalversammlung in Seoul sprühen Arbeiter Desinfektionsspray auf den Boden, um die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen. (Foto: AFP)

Abschottung hilft nur begrenzt gegen eine Ausbreitung des Erregers. Angesichts der aktuellen Lage sind jetzt andere Dinge wichtig.

Kommentar von Kathrin Zinkant

Wenn etwas über das neue Coronavirus inzwischen bekannt ist, dann, dass es sich unberechenbar verhält, längst international agiert - und, wie in Italien, deshalb nun an Orten auftaucht, die keine Verbindung zu bisherigen Ausbruchsherden haben. An Landesgrenzen lässt sich das Virus jedenfalls nicht mehr aufhalten. Die französische Regierung hat das verstanden, die Grenze zwischen Italien und Frankreich bleibt trotz der Ausbrüche in der Lombardei und Venetien offen. Nicht verstanden hat es die Türkei, die ihre Grenze zu Iran wegen der dort aufgetretenen Infektionen geschlossen hat und offenbar glaubt, man könne sich das Virus so vom Leibe halten.

Natürlich ist es nicht immer falsch und auch nicht zwingend menschenverachtend, Menschen mit einer möglichen Infektionskrankheit zu isolieren, damit sie niemand anderen anstecken. Die Quarantäne bleibt eine wichtige infektionsmedizinische Maßnahme, die in manchen Fällen Erreger stoppen oder zumindest Schlimmeres verhindern kann. Das gilt aber nur, wenn die Isolierten umfassend versorgt sind, und zwar sowohl medizinisch, als auch mit Nahrung, Wasser - und mit menschlicher Zuwendung.

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Schon deshalb ist klar, dass Abschottung und Isolation nicht unter allen Umständen angezeigt, geschweige denn in beliebiger Dimension angemessen umsetzbar und wirksam sind. Riegelt man eine Megacity ab, in der sich das Virus seit Wochen verbreitet und in der neben den Millionen Menschen ohne Virus bereits Tausende infiziert sind, wird zwar die Verbreitung des Erregers außerhalb dieser Stadt gebremst. Innerhalb leidet die Versorgung jedoch auf allen Ebenen. Zugleich wächst das Risiko, sich anzustecken, erheblich. Werden Gesunde mit Infizierten gar auf einem Schiff eingesperrt, auf dem das Personal und die Strukturen von vornherein keine sinnvolle Quarantäne garantieren können, entwickelt sich der Vergnügungsdampfer rasch zum Vireninkubator - und damit zur Strafe für die Passagiere.

Quarantäne ist nur begrenzt wirksam. Notorisch unterschätzt ist indes das Händewaschen

Quarantäne aber darf keine Strafe, und vor allem nicht das einzige Mittel sein. Sie kann das neue Virus in seiner Verbreitung nur entschleunigen. Entscheidend werden in den kommenden Wochen deshalb andere Dinge sein. Da ist das dringend zu schaffende Bewusstsein, dass das neue Coronavirus jetzt sehr unvermittelt überall auftreten kann. Niemand muss deshalb in Panik geraten, es geht vielmehr darum, sich zu informieren, das eigene Verhalten anzupassen und Vorkehrungen zu treffen. Dazu gehört das notorisch unterschätzte Händewaschen mit warmem Wasser und Seife, wann immer man mit anderen Menschen in direktem oder indirektem Kontakt gewesen ist. Gelegenheiten für diesen simplen Akt sollten gerade in öffentlichen Gebäuden wie Museen oder Behörden selbstverständlich sein. Das ist aber selbst in Deutschland keineswegs der Fall.

Und schließlich geht es um Verzicht. Großveranstaltungen wie die Berlinale, zu der in der Hauptstadt derzeit bis zu eine halbe Million Menschen aus mehr als 70 Ländern zusammenkommen, um in 31 über die Stadt verstreuten Kinosälen etwa 340 Filme zu schauen, können zu gefährlichen Drehscheiben für das Virus werden. Daran ändern dann auch Desinfektionsmittelspender auf den Toiletten nicht mehr viel. Besser wäre in dieser Lage, den bitteren Preis zu zahlen und Veranstaltungen wie das Festival abzusagen oder vorzeitig zu beenden. Sonst könnte der Preis schnell der von Menschenleben sein.

© SZ vom 25.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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