Coronavirus:Wie sinnvoll sind Grenzschließungen?

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Tschechien hat die Grenzen für Ausländer aus Risikogebieten geschlossen und den Notstand ausgerufen. (Foto: Robert Michael/dpa)
  • Mehrere Länder, zuletzt die USA, haben Reiseeinschränkungen für ihre Gebiete verhängt.
  • Der Effekt solcher Maßnahmen auf die Ausbreitung der Epidemie ist ungewiss.
  • Dem gegenüber stehen wirtschaftliche und soziale Risiken, die ihrerseits der Gesundheit schaden können.

Von Berit Uhlmann, München

Indien gehört dazu, Österreich und nun auch die USA: Als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie verweigern oder erschweren immer mehr Staaten Menschen aus anderen Ländern die Einreise. Abschottung aber ist selbst bei großen gesundheitlichen Notlagen ein heikles Thema. Es verlangt, zwei Aspekte gegeneinander abzuwägen: den Nutzen für die Gesundheit einerseits und die ökonomischen wie sozialen Risiken andererseits. Beides ist derzeit nur schwer abzuschätzen. Denn die Radikalität, mit der das soziale Leben gerade in vielen Teilen der Welt eingeschränkt wird, ist beispiellos. Erfahrungswerte aus den vergangenen Jahrzehnten gibt es nicht.

Grundsätzlich können Reisebeschränkungen die Ausbreitung von Epidemien verlangsamen. Das ist auch das Ergebnis einer Simulation, die Wissenschaftler vor Kurzem im Fachblatt Science veröffentlicht haben. Ihre Frage: Wie hat es sich ausgewirkt, dass die Einwohner von Wuhan ihre Stadt nicht mehr verlassen durften? Den Berechnungen nach verzögerten die Maßnahmen die Ausbreitung der Epidemie im Rest Chinas lediglich um drei bis fünf Tage, da das Virus dort ohnehin schon zirkulierte. Größer war der Effekt für andere Staaten. Dort wurden bis Mitte Februar etwa 80 Prozent weniger Fälle eingeschleppt als man ohne dieses Vorgehen erwarten würde. Das hat der Welt Zeit verschafft, sich gegen die weitere Ausbreitung von Sars-CoV-2 zu wappnen.

Dennoch gibt die Studie wenig Aufschluss über die langfristigen Effekte, geschweige denn darüber, ob sich Grenzschließungen in Ländern wie den USA ähnlich auswirken. Paul Hunter, Mediziner der britischen University of East Anglia kommentiert: "Die Einführung eines internationalen Reiseverbots zu einer Zeit, in der die USA eines der Länder mit den am schnellsten steigenden Infektionsraten sind, wird wenig bis gar nichts dazu beitragen, das Ausmaß der Ansteckungen innerhalb der USA zu verringern." Das Land hat bislang mehr als 900 Fälle in knapp 40 Bundesstaaten gemeldet. Da es allerdings in den vergangenen Wochen Probleme mit den Labortests gab, dürfte die Zahl deutlich höher sein.

Gerade während einer globalen Krise ist die Weltgemeinschaft gefragt

Dem relativ unklaren Nutzen von Einreisestopps stehen potenzielle Nebenwirkungen gegenüber. Das können Stigmatisierungen sein, sozialer Unfrieden, wirtschaftliche Einbußen oder auch Schwierigkeiten, Hilfe in ein betroffenes Land zu bringen. All diese Folgen können wiederum auf die Gesundheit der Menschen zurückwirken und auch die Seuchenkontrolle erschweren. Gerade während einer globalen Krise ist die Weltgemeinschaft auf die Kooperationsbereitschaft der Länder angewiesen. Sie müssen Entwicklungen - auch negative, auch unangenehme - frühzeitig bekannt geben. Doch wenn Staaten fürchten müssen, genau dafür mit Ausgrenzung oder dem Abbruch von Reise- und Handelsbeziehungen bestraft zu werden, kann dies ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit unterminieren.

Daher sind auch die Internationalen Gesundheitsvorschriften, das für alle WHO-Mitgliedsstaaten geltende Regelwerk für den Seuchennotfall, darauf angelegt, Reise- und Handelsbeschränkungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Wenn Staaten drastisch in die Reisefreiheit eingreifen, müssen sie die WHO darüber informieren.

Bis Ende vergangener Woche hatten 45 Länder derartige Maßnahmen gemeldet; sie hatten beispielsweise Einreisen gestoppt, Flüge gestrichen oder Visa verwehrt. Die meisten Länder begründeten diese Schritte mit ihrer besonderen Gefährdungslage oder den begrenzten Ressourcen im Umgang mit den Lungenerkrankungen. Die WHO selbst spricht sich derzeit - anders als am Anfang der Epidemie - nicht mehr explizit gegen Reisebeschränkungen aus. Sie erklärt stattdessen, dass die Maßnahmen in einem vernünftigen Verhältnis zum Risiko stehen, kurz andauern und regelmäßig auf ihre Notwendigkeit überprüft werden sollten.

US-Präsident Donald Trump hatte den Einreisestopp am selben Tag verkündet, als die WHO die Ausbreitung des Virus als Pandemie bezeichnete. Die neue Charakterisierung rechtfertigt Trumps Entscheidung allerdings nicht. Die WHO betonte, dass sich mit der Umbenennung weder an ihrer Risikoeinschätzung noch an ihrem Vorgehen etwas ändere. Auch die Mitgliedsstaaten sollten ihre Strategien nicht ändern. Das Robert-Koch-Institut erklärte am Donnerstag denn auch, die Pandemie-Erklärung habe in Deutschland keine besonderen Maßnahmen zur Folge. "Es ist kein Grund, jetzt mehr Sorgen oder Ängste zu haben, aber es ist ein Grund, die Situation weiter wie bisher ernst zu nehmen", sagte RKI-Vizepräsident Lars Schaade.

© SZ vom 13.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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