Glühwein:Schnell getrunken, heftig bereut

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Im Glühwein schmeckt man den Alkohol nicht so stark. Das kann dazu verleiten, zu viel zu trinken. (Foto: dpa)
  • Dass im Glühwein der meiste Alkohol bereits verdampft sei, ist ein Irrtum.
  • Man kann von dem weihnachtlichem Getränk heftig betrunken werden.
  • Der Zucker beschleunigt sogar die Aufnahme des Alkohols.

Von Werner Bartens

Man nehme als Grundlage Wein, bevorzugt roten. Zimt, Zucker, Gewürznelken, Anis dazugeben und nach Belieben Zitronen- oder Orangenschalen. Anschließend erhitze man das Ganze - fertig ist der Glühwein. Kaum einer bekennt sich zwar dazu, das süße Gebräu wirklich zu mögen. Aber um guten Geschmack geht es beim Konsum auch nicht, sondern um das Ritual. Alle Jahre wieder in der Adventszeit zählen die Weihnachtsmärkte in Deutschland bis zu 250 Millionen Gäste aus dem In- und Ausland. Die Besucher geben dort zwei Drittel ihres Budgets für Glühwein aus, mehr als 50 Millionen Liter werden jährlich konsumiert.

Dass kaum Alkohol in dem saisonalen Getränk enthalten ist, weil der durch die Hitze längst verdampft sei, gehört zu den verbreiteten Irrtümern. Zwar geht Alkohol bei 78 Grad in die gasförmige Phase über, doch Zusatzstoffe wie Zucker verändern den Siedepunkt, zudem darf Glühwein wegen schädlicher Abbauprodukte nicht über 80 Grad erhitzt werden. Gesetzlich ist für den Verkauf im Einzelhandel sogar ein Mindestalkoholgehalt von sieben Prozent (und maximal 14,5 Prozent) vorgeschrieben.

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Der regelmäßige Verzehr von recht geringen Alkoholmengen kann das Sterberisiko erhöhen. Die Richtwerte für den Alkoholkonsum seien auch in Deutschland deutlich zu hoch, warnen Forscher.

So kann man von Glühwein sehr wohl sehr heftig betrunken werden. Es ist nur nicht so schnell zu spüren - die Folgen hinterher sind umso heftiger. An beidem ist der Zucker schuld. Der süße Geschmack der Kalorienbombe überlagert den des Alkohols, sodass man dazu verleitet wird, mehr zu trinken. Und das Gemisch aus Alkohol und Zucker kann leider den dicken Schädel und andere Symptome eines Katers erheblich verstärken.

Glühwein geht rascher ins Blut und steigt eher zu Kopf, weil gleich mehrere Faktoren die schnelle Alkoholaufnahme begünstigen. Durch die Wärme wird die Durchblutung schon im Mund- und Rachenraum und später im Magendarmtrakt gesteigert, wodurch Alkohol leichter resorbiert wird. Zucker verstärkt diesen Effekt. Das wohlige Gefühl entsteht durch die Wärme - in Japan wird der Genuss des heiß getrunkenen Reisweins Sake so umschrieben: als ob man sich "einen heißen Stein auf den Bauch legt".

Kurzfristig mag sich der durchgefrorene Weihnachtsmarktbesucher am Glühwein wärmen, doch ein Mittel gegen die Kälte ist er - wie jedes alkoholische Getränk - keineswegs, im Gegenteil. Alkohol erweitert die Blutgefäße, und in der Folge kühlt der Körper sogar schneller aus, was jeden Winter Menschen in Lebensgefahr bringt, die sich berauscht auf eine Parkbank legen.

Der römische Kochbuchautor Marcus Gavius Apicius beschrieb zwar schon in der Antike einen Gewürzwein ("conditum paradoxum"), der "bei langsamem Feuer unter ständigem Rühren aufgekocht" und mit Honig, Lavendel, Safran, Pfeffer und gerösteten Dattelkernen verfeinert wurde. Als feine Tropfen werden solche Gemische allerdings bis heute nicht gehandelt, auch wenn Marketingkampagnen das ändern wollen. In der Pfalz wird die "Glühweinkönigin" gewählt. Sie wirbt auf dem Trierer Weihnachtsmarkt für "Winzerglühwein" aus der Region, der angeblich "kein Gepansche" sei, während andernorts oft ungewiss bleibe, "ob überhaupt Wein drin ist".

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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