Werner Faymann im Gespräch:"Mindestlohn für ganz Europa"

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Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann kämpft für eine Spekulationssteuer - und den Mindestlohn. Ein Gespräch über die Zukunft der EU, den Rettungsschirm und das Verhältnis zu Deutschland.

Hans-Jürgen Jakobs

Werner Faymann, 50, hat es eilig. Er ist nur kurz in Davos, die Regierungsgeschäfte in Wien drängen. Am Donnerstagmorgen hat der Sozialdemokrat mit dem US- Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz diskutiert, mit dem ihn vor allem eines verbindet: die Forderung nach einer Spekulationssteuer auf Finanzgeschäfte. Für das Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung im Hotel Sheraton Waldhuus nimmt sich Faymann aber doch noch Zeit.

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann fordert eine europäische Spekulationssteuer auf Finanzgeschäfte. (Foto: REUTERS)

SZ: Herr Faymann, Deutschland hat aufgrund seiner Wirtschaftskraft eine Schlüsselrolle bei der Integration Europas. Wird die Regierung von Angela Merkel ihrer Führungsaufgabe gerecht?

Werner Faymann: Die deutsche Regierung bindet kleine und mittlere Länder ein, das ist sehr positiv. Manches aber geht zu langsam. Das Tempo der Entscheidungen in Europa muss höher werden. Bei der Griechenland-Hilfe oder der Frage des Euro-Rettungsschirms wussten die Leute zeitweise nicht, was die Politik vorhat. Da wurde dementiert, was kurze Zeit später eine offizielle Mitteilung war. So geht es nicht. Das verwirrt.

SZ: Ein aktueller Streitpunkt ist die Ausgestaltung des Rettungsschirms.

Faymann: Im März muss das Problem geklärt werden. Je früher, umso besser. Ständige Diskussionen darüber sind alles andere als hilfreich. Tatsache ist, die 750 Milliarden Euro sollen den Ländern mit Problemen zur Verfügung stehen.

SZ: Wenn es bei dieser Summe bleibt und nicht neue Aktionen beschlossen werden. Schon jetzt wird erwartet, dass Griechenland von den hohen Verbindlichkeiten nicht herunterkommt - und es einen Schuldenerlass geben muss.

Faymann: In dieser Frage stimmen sich Deutschland und Österreich eng ab. Man muss doch zuerst einmal anerkennen, dass es dem griechischen Staat gelingt, einen guten Teil des Defizits abzubauen. Das ist ein sehr positiver Einsatz. Experten werden beurteilen müssen, ob es darüber hinaus mehr Hilfen durch die EU für Griechenland geben soll.

SZ: Sollen diese Experten in einer neuen Institution arbeiten, die sich verbindlich für die Eurozone um solche Fragen kümmert?

Faymann: Die europäischen Finanzminister diskutieren immer mal wieder über neue Strukturen. Es wäre gut, wenn in Abstimmung mit diesen Ministern bald eine Finanz-Taskforce ihre Arbeit aufnehmen könnte. Die muss dann klären, wie mit den fraglichen Anleihen von Staaten wie Griechenland umzugehen ist. So können wir das Tempo erhöhen.

SZ: Ein Vorschlag zur besseren Regulierung des europäischen Kapitalmarkts propagiert die Einführung einer Transaktionssteuer auf Finanzgeschäfte.

Faymann: Als Österreich vor zwei Jahren diese Idee in der EU aufbrachte, waren wir damit sehr einsam. Das hat sich glücklicherweise geändert. Der Finanzmarkt hatte sich verselbständigt, dagegen mussten Mittelständler oder zum Beispiel innovative Unternehmen die Steuerlast wie gehabt tragen. Es ist verständlich, dass Ärger aufkommt, wenn sich prominente Finanzinvestoren auf den Titelseiten von Monatsmagazinen ihrer sehr hohen Einkommen rühmen. Auch Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, mit dem ich heute Vormittag in Davos ein ausführliches Gespräch geführt habe, plädiert für eine Spekulationssteuer. Ich hoffe, in der EU auch Deutschland für den Plan zu gewinnen.

SZ: Der EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat früh eine "Sozialagenda" für Europa gefordert. Wie sieht das ein sozialdemokratischer Bundeskanzler?

Faymann: Wir haben in der EU genaue Vorgaben für Schuldenquoten. Es müsste aber auch Richtwerte für Produktivität und soziale Standards geben.

SZ: Was meinen Sie damit?

Faymann: Einen Mindestlohn beispielsweise oder das Verbot von Lohndumping. Die Schere zwischen Arm und Reich ist immer weiter aufgegangen, die Mittelschicht leidet. Das kann man nicht einfach laufen lassen. Da müssen wir in der EU gegensteuern - vor allem weil man den Eindruck gewinnen kann, dass diese Finanzkrise nicht ganz vorbei ist.

SZ: Tatsächlich sind die EU-Länder gehalten, die Defizite ihrer Haushalte zu reduzieren. Das führt dazu, dass etwa Spanien die Altersbezüge einfriert, Portugal die Arbeitslosenhilfe kürzt oder Griechenland Pensionen stark absenkt - alles Maßnahmen mit sozialen Auswirkungen.

Faymann: Auch hier ist darauf zu achten, dass die soziale Balance erhalten bleibt. Sparen kann notwendig sein, es müssen aber alle Bevölkerungsgruppen ihren Beitrag leisten. Die Prioritäten müssen stimmen.

© SZ vom 28.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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