Verschärfte Gesetze gegen Steuerflucht:USA vertreiben ausländische Banken aus Kundengeschäft

Lesezeit: 3 min

Eigentlich sollen die neuen Steuergesetze der USA verhindern, dass Amerikaner im Ausland unbemerkt Geld anlegen. Doch die Regeln betreffen auch Geschäfte europäischer Banken in den USA - und schmälern die Gewinne ihrer Anleger. Die Folge: Um sich Ärger und höhere Kosten zu sparen, trennen sich ausländische Geldinstitute von amerikanischen Kunden.

Nikolaus Piper und Markus Zydra

Der Brief der Deutschen Bank aus Köln war höflich, aber eindeutig: "Sehr geehrte Frau X, wir bedauern sehr, dass wir vor dem Hintergrund eines sich immer weiter verdichtenden regulatorischen Umfeldes in den USA ... das Wertpapiergeschäft mit Ihnen einstellen müssen. Auf Grundlage unserer Allgemeinen Geschäftsverbindungen kündigen wir deshalb ihre Depotverbindungen zum 30. April 2011."

Ausländische Banken müssen sich den US-Regelungen unterwerfen, wenn sie in den USA aktiv sind. Diese sehen unter anderem eine Quellensteuer von 30 Prozent auf Zinserträge vor - das schadet auch deutschen Anlegern. (Foto: Zucchi Uwe/dpa)

Die Hypo-Vereinsbank aus München war bei ihrem Bemühen, Kunden aus den Vereinigten Staaten loszuwerden, noch direkter: ". . . sieht sich unser Haus gezwungen, ab dem 1. Januar 2012 keine Wertpapierdienstleistungen mehr mit Kunden in den USA und/oder US-Nationalität anzubieten . . . Bitte teilen Sie uns zum 30.11.2011 mit, wohin wir die bei uns eingebuchten Werte übertragen sollen." Dann folgt die unmissverständliche Drohung: "Sollten wir von Ihnen keinen Übertragungsauftrag erhalten, werden wir ihr oben genanntes Depot sperren und anschließend die bei uns eingebuchten Wertpapiere beim Amtsgericht München kostenpflichtig hinterlegen."

Die beiden Briefe sind keine Einzelfälle. Bereits im Sommer hatte die britische HSBC ihren amerikanischen Kunden mitgeteilt, sie könnten vom Ausland nicht mehr betreut werden: Ähnlich hat sich die schweizerische Credit Suisse entschieden. Der Grund dafür, dass europäische Banken sich fast panikartig von ihren in den USA lebenden Kunden trennen, ist eine drastische Verschärfung der amerikanischen Steuergesetze. FATCA und Volcker-Rule werden die spröden Rechtsvorschriften genannt, hinter denen sich viel Sprengstoff verbirgt.

Seit 1. Januar 2011 müssen ausländische Kreditinstitute die Bewegungen in den Depots akribisch dokumentieren. Gleichzeitig wollen die USA wissen, welcher Steuerpflichtige im Ausland welche Investmentfonds besitzt. Doch das ist derzeit unmöglich.

In Deutschland gibt es kein Namensregister, wir wissen bei Publikumsfonds nicht, welche Personen unsere Fondsanteile halten", sagt Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des BVI, der Branchenverband der deutschen Fondsindustrie. "Ein Meldewesen, wie es FATCA verlangt, würde bei Finanzinstituten weltweit einen Umsetzungsaufwand in Milliardenhöhe bedeuten", klagt Richter. Zum Vergleich: Die USA würden durch diese Regelung zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von geschätzten 800 Millionen Dollar im Jahr erzielen.

Anlass für die Verschärfung war der Fall UBS aus dem Jahr 2008. Damals hatten die US-Behörden der schweizerischen Bank vorgeworfen, amerikanische Bürger gezielt zur Steuerflucht anzuhalten. Am Ende des Verfahrens stand eine Einigung, bei der die Schweiz faktisch ihr Bankgeheimnis opferte. Sämtliche Daten amerikanischer Kunden der UBS stehen seither der US-Steuerbehörde zur Verfügung. Die Einigung wurde zum Muster für die gesamte US-Gesetzgebung. "Der US-Gesetzgeber verfolgt eine ähnliche Taktik wie in den 1930er Jahren mit dem Securities Act und unterwirft auch alle ausländischen Marktteilnehmer US-Regelungen, falls ihre Aktivitäten die USA berühren", sagt Hans Montag, Partner im Bereich Finanzrecht bei Baker & McKenzie in New York.

Nahezu jedes deutsche und europäische Kreditinstitut, das etwas auf sich hält, führt in New York einen Geschäftsbereich. Das ist die Einstiegsluke für die amerikanische Gesetzgebung. "Die ausländischen Institute haben jetzt nur noch drei Optionen", sagt Steuerberater Michael Perine, Partner in der Kanzlei Brix: "Entweder sie erfüllen die aufwendigen Vorschriften. Oder sie verzichten auf US-Kunden. Oder sie zahlen eine Quellensteuer von 30 Prozent."

Deutsche Fondsgesellschaften können aufgrund des fehlenden Namensregisters nicht ausschließen, dass ein in den USA Steuerpflichtiger bei ihnen Fondsanteile gekauft hat. Also müssten sie eine Strafsteuer auf Dividenden, Zinsen, Mieten und Veräußerungserlöse bezahlen. "Hält ein deutscher Rentenfonds US-Staatsanleihen und erhält Zinserträge, dann würden 30 Prozent dieser Zinsen von den Amerikanern einbehalten", sagt Richter.

Betroffen wären also alle Anleger in Deutschland, auch die ehrlichen Steuerzahler. "Das IRS (d ie amerikanische Steuerbehörde; d. Red) hat einfach die Kosten der Steuereintreibung auf die ausländischen Banken übertragen", erklärt Gerald Brix, Steuerberater in New York. "Das kann in die Milliarden gehen." Immer mehr Banken entscheiden sich deshalb dafür, aus das US-Kundengeschäft ganz zu verzichten.

Zumal auch andere Hürden drohen, beispielsweise bei der Volcker-Rule, eine nach dem früheren US-Notenbankchef Paul Volcker benannte Rechtsvorschrift: Hier geht es darum, dass eine Geschäftsbank in den USA kein Investmentbanking machen darf. So sollen die Bankeinlagen vor Spekulationsverlusten geschützt werden. Für die Deutschen gehört ein harmloser Publikumsfonds nicht zum Investmentbanking - für die USA schon. "Auch deutsche Banken, die einen Investmentarm haben und in den USA Geschäft machen, müssen diesen Geschäftszweig möglicherweise von der Bank abspalten", sagt Montag.

Wirtschaftspolitisch ist die Gesetzgebung ein Stück Protektionismus: Ausländische Banken werden im Geschäft mit amerikanischen Kunden massiv benachteiligt. Die kanadische Regierung hat bereits Protest eingelegt. Die Deutschen fordern Ausnahmen von der Regel, die Chinesen auch, wie es in Justizkreisen zufolge heißt. Verbandsmann Richter fordert Hilfe: "Bei diesen Regulierungen ist die EU-Kommission für unsere Begriffe ein wenig zu leise."

© SZ vom 23.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: