Vermögensverteilung:Krise trifft die Reichen - aber nur kurz

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Der wohlsituierte Teil der Bevölkerung kann aufatmen: Auf lange Sicht wird das Vermögen wieder stärker wachsen als beim Rest - prophezeien Forscher.

T. Öchsner

Die Wirtschaftskrise belastet vor allem die Wohlhabenden und großen Kapitalgesellschaften - aber nur vorübergehend. Der Anteil der Gewinne und Kapitaleinkünfte am Volkseinkommen dürfte 2009 brutto erstmals seit Jahren nicht weiter steigen. Der Anteil der Lohneinkommen hat sich dagegen erhöht. Das geht aus dem neuen Bericht zur Vermögensverteilung hervor, den das gewerkschaftsnahe Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung vorgelegt hat. Trotzdem fürchtet der WSI-Forscher Claus Schäfer, dass die ungleiche Vermögensverteilung langfristig weitergeht.

Verteilung der Vermögen - jeder zweite Deutsche besitzt fast nichts. Bitte klicken sie auf ds Symbol, um die Grafik zu vergrößern. (Foto: Grafik: SZ)

Immer nur nach unten

Egal, ob die Wirtschaft schwach oder kräftig wuchs - beim Verhältnis von Lohneinkommen einerseits zu Einkommen aus Gewinnen und Vermögen andererseits gab es in den vergangenen Jahren nur eine Richtung: Der Anteil der abhängig Beschäftigten ging stetig nach unten. Darauf machte auch der Sachverständigenrat aufmerksam. Seit 1991 habe in Westdeutschland "die relative Bedeutung der Einkommen aus abhängiger Erwerbstätigkeit deutlich abgenommen, die der staatlichen Transfers und der Kapitaleinkünfte zugenommen", so das Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen.

2009 sieht es anders aus: Die Bruttolohnquote, die den Anteil der Löhne und Gehälter einschließlich der Sozialabgaben am Volkseinkommen misst, hat nach Angaben des WSI in der ersten Hälfte 2009 erstmals deutlich zugelegt, von 65 auf mehr als 68 Prozent, auch wegen der teilweise kräftigen Lohnerhöhungen. Die Quote aus Vermögens- und Firmengewinnen sank dagegen auf 32 Prozent. Mit einem steigenden Wohlstand der Arbeitnehmer habe dies aber nichts zu tun, sagt Schäfer. Vielmehr sei das Volkseinkommen wegen der Krise insgesamt geschrumpft. Und dies habe als Erstes die Vermögens- und Gewinneinkommen getroffen, die zuvor geboomt haben.

Mal eben 140 Milliarden Euro verloren

Darauf deuten auch die Zahlen hin, die die Bundesbank für 2008 vorgelegt hat. Danach verloren die privaten Haushalte nach Abzug von Ersparnissen, die sie in diesem Jahr neu gebildet haben, etwa 140 Milliarden Euro. Das ist viermal so viel wie 2002 beim Platzen der New-Economy-Blase an den Aktienmärkten. Ende 2008 betrug pro privatem Haushalt das durchschnittliche Gesamtvermögen nach Abzug der Schulden 206000 Euro. Ende 2007 waren es 208000 Euro.

Die Durchschnittswerte sagen aber wenig über die Verteilung der Vermögen aus. Hierzu gibt es im Vergleich zum Vorjahr keine neuen Statistiken. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) arbeitet derzeit aber an einer neuen Untersuchung. Aus einem ersten Zwischenbericht geht hervor: Die untere Hälfte der deutschen Bevölkerung ab 17Jahren besitzt fast nichts. Zehn Prozent aus dieser Gruppe haben sogar nur Schulden. Auf der anderen Seite konzentriert die obere Bevölkerungshälfte fast das gesamte private Netto-Vermögen auf sich. Fast zwei Drittel davon besitzen die obersten zehn Prozent (Grafik). Bemerkenswert findet Schäfer, dass in den untersuchten Jahren von 2002 bis 2007 "nur die reichsten zehn Prozent ihre Vermögensposition verbessern" konnten. Auch der Sachverständigenrat spricht davon, dass "das Beharrungsvermögen am oberen Rand der Einkommensverteilung überdurchschnittlich hoch ist".

Der WSI-Forscher prognostiziert den Arbeitnehmern düstere Zeiten. Netto, nach Anrechnung von Steuern und Abgaben, hätten sie bereits an Kaufkraft eingebüßt. Die Anteile der Nettolöhne und -gewinne am Volkseinkommen hätten sich deshalb längst nicht so stark verschoben wie die Bruttowerte. Ob durch Einkommensverluste auf Grund von kürzeren Arbeitszeiten, aufgeschobene Tarifsteigerungen, Verdrängung von Voll- durch Teilzeitjobs oder höherer Arbeitslosigkeit - Schäfer glaubt, dass der Druck auf die Lohneinkommen steigt.

© SZ vom 04.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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