Verkehrswerte:Eine Frage der Berechnung

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Bis ein Objekt zur Versteigerung komme, dauere es oft sehr lange, sagt Argetra-Chef Axel Mohr. In Einzelfällen könnten es sogar 14 Jahre sein. (Foto: dpa-tmn)

Die bei Versteigerungen aufgerufenen Werte stehen oft im krassen Gegensatz zum tatsächlich am Immobilienmarkt erzielbaren Preis, kritisiert der Argetra-Chef Axel Mohr.

Von Marianne Körber

Im ersten Halbjahr wurden weniger Immobilien zwangsversteigert. Die deutschen Amtsgerichte setzten 17 000 Termine fest, das waren 3400 weniger als in der ersten Hälfte 2015, stellt der Ratinger Verlag für Wirtschaftsinformation Argetra fest. Dabei sind Immobilien im Wert von 2,69 Milliarden Euro aufgerufen worden, nach 3,37 Milliarden im Vorjahreszeitraum. Je Objekt ergab sich ein von Gutachtern festgelegter durchschnittlicher Verkehrswert von 157 000 Euro.

Mit den Verkehrswerten ist das so eine Sache, wenn man der Argumentation von Argetra-Chef Axel Mohr folgen will. "Die in den Versteigerungen aufgerufenen Werte stehen oft im krassen Gegensatz zum tatsächlich am Markt erzielbaren Preis. Die starken Abweichungen führen in volatilen Märkten zu Schnäppchen oder zur Unverkäuflichkeit", berichtet er auf der Homepage. Bis ein Objekt zur Versteigerung komme, dauere es oft sehr lange. Bis zu zweieinhalb Jahre vergingen etwa bei Einfamilienhäusern ab Festsetzung des Verkehrswertes, in Einzelfällen könnten es sogar 14 Jahre sein. "Banken, Versicherungen und Immobiliendienstleister bewerten häufig die Entwicklung der Zwangsversteigerungs-Werte in zum Teil sehr unterschiedlichen standardisierten Verfahren", sagt der ehemalige Bankvorstand.

Er übt noch in anderer Hinsicht Kritik an den Geldinstituten. Diese betrachteten die Finanzierung von Einfamilienhäusern und Wohnungen immer noch als risikoarmes Geschäft. Dabei seien Wohnobjekte am häufigsten von Zwangsversteigerungen betroffen. Der Zwangsversteigerungsmarkt bestehe zu 70 Prozent aus Wohnimmobilien, der größte Anteil entfalle auf Ein- und Zweifamilienhäuser (42 Prozent). Hier habe die Anzahl der Termine bei den Amtsgerichten aber - gegen den Trend - um zwei Prozent zugelegt.

Auch die Entwicklung auf dem Markt für Baufinanzierungen sieht man in Ratingen mit Sorge. Die neue Wohnkreditrichtlinie könne zu Problemen führen. "Viele alleinstehende alte Menschen leben zwar in nicht belasteten Immobilien, erhalten aber keinen Kredit mehr, wenn Renovierungen nötig werden", befürchtet Mohr. Denn für die Kreditvergabe sei nicht mehr der Vermögenswert ausschlaggebend, den die Menschen über Jahre hinweg geschaffen hätten, sondern die "Kapitaldienstfähigkeit bis zur statistischen Lebenserwartung" - soll heißen es zählt die Zeit, die man noch hat, um seine Schulden abzuzahlen. Die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe könne auch schon Menschen Mitte Fünfzig treffen.

© SZ vom 22.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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