Urlaubsanspruch:So nehmen Sie sich eine Auszeit von der Pflege

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Urlaub von pflegenden Angehörigen wird finanziell unterstützt.Denn dem Kranken ist wenig geholfen, wenn sein Betreuer selbst am Ende der Kräfte ist. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Auch Angehörige, die Kranke in der Familie betreuen, haben Anspruch auf Erholung. Bis zu vier Wochen Urlaub im Jahr stehen ihnen zu, in denen die Kasse unterstützt. Wichtige Tipps im Überblick.

Von Berrit Gräber, München

Endlich Ferien, Sommer, Sonne, weg von daheim. Auch die etwa 1,4 Millionen Frauen und Männer, die Tag für Tag ein krankes Familienmitglied zu Hause betreuen, haben einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf Urlaub. Doch die meisten pflegenden Angehörigen arbeiten durch, Jahr um Jahr. "Viele wissen gar nicht, dass ihnen die Pflegekasse dabei hilft, eine Auszeit zu organisieren", sagt Christiane Grote, Pflegeexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Andere scheuen davor zurück, ihren Mann oder ihre Oma in die Obhut anderer zu geben. Dem Kranken ist aber wenig geholfen, wenn sein Betreuer selbst am Ende der Kräfte ist. Mit den Leistungen aus der Pflegeversicherung lassen sich zwar keine großen Sprünge machen, von echtem Urlaubsgeld ganz zu schweigen. Eine Chance auf ein wenig Erholung bieten sie aber sehr wohl.

Das sind die Wege

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, Urlaub von der Pflege zu machen, wie Michaela Gottfried, Sprecherin des Verbands der Ersatzkassen (vdek), erläutert: die Verhinderungspflege, bei der der Kranke zu Hause von einem "Ersatzmann" versorgt wird. Und die Kurzzeitpflege, bei der der Patient vorübergehend in ein Heim kommt. Bei beiden Varianten stehen den Pflegenden je 28 Tage Auszeit im Kalenderjahr zu. So ist es im Sozialgesetzbuch (SGB XI, Paragraf 39 und 42) festgeschrieben. Die Entlastung muss nicht an einem Stück genommen werden, sie kann auf mehrere Kurzurlaube verteilt werden.

Das ist Voraussetzung

Wichtig für beide Varianten: Die Pflegeperson muss den kranken Angehörigen zuvor schon mindestens sechs Monate lang betreut haben. Der Patient muss Pflegegeld bekommen. Auch eine Verhinderungspflege für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz ohne Pflegestufe ist neuerdings möglich, eine Kurzzeitpflege dagegen nicht. Wer sich um einen demenzkranken Patienten kümmert, hat zudem noch Anrecht auf eine dritte Variante: die Betreuungsleistung. Sie ist unabhängig von einer Pflegestufe. Jede Form von Unterstützung muss bei der Pflegeversicherung beantragt werden, betont Grote. Automatisch gibt es nichts.

So viel Geld ist drin

Die Kosten für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege übernehmen die Pflegekassen der Krankenkassen - allerdings nur bis zur Grenze von jeweils 1550 Euro im Jahr, unabhängig von der Pflegestufe des Patienten. Mehr gibt es nicht. Was an Mehrkosten für die Urlaubsvertretung anfällt, muss aus eigener Tasche bezahlt werden. Für Entlastung sorgt jetzt, dass die Hälfte des Pflegegeldes für jeweils 28 Tage Verhinderungs- respektive Kurzzeitpflege weitergezahlt wird. Diese Unterstützung gab es früher nicht.

Mehrkosten fürs Heim einplanen

Eine vorübergehende Heimunterbringung, also die Kurzzeitpflege, ist in der Regel die teuerste Lösung. Wer ein, zwei Wochen verreisen und die Oma in dieser Zeit stationär versorgt wissen will, dürfte meist nicht weit kommen mit den 1550 Euro. Je höher die Pflegestufe des Kranken, desto schneller ist der Betrag erschöpft. Die Pflegekasse zahlt die Kosten für die Pflege. Die Hilfsbedürftigen müssen für Unterkunft und Mahlzeiten aufkommen. Dass das Pflegegeld zur Hälfte für insgesamt 28 Tage weiterfließt, kann die Finanzierungslücke oft auch nicht stopfen. Bei längerer Auszeit schießen die Kranken oder die Laienpfleger selbst zu.

Vorsicht bei der Ersatzpflege

Für die Verhinderungspflege kann ein Profi vom ambulanten Pflegedienst als Urlaubsvertretung engagiert werden. Auch das geht ins Geld. Die meisten Familien suchen deshalb einen "Ersatzmann" aus dem Umfeld. Aber aufgepasst: Die finanzielle Unterstützung gibt es nur dann, wenn ein Außenstehender die Pflege des Kranken übernimmt, wie die Nachbarin oder Freundin. Diese kann dann eine Rechnung stellen etwa über 50 Euro am Tag, und die Pflegekasse übernimmt die Kosten bis zu 1550 Euro. Springen nahe Verwandte ersten oder zweiten Grades ein, beispielsweise die Schwester, Schwägerin oder Enkelin, fließt anteilig nur das, was dem Pflegegeld entspricht. Die Kasse zahlt höchstens noch für eine notwendige Kinderbetreuung in der Vertretungszeit oder Fahrtkosten. Das war's. Nur wenn nahe Verwandte erwerbsmäßig, also mehrfach im Jahr bei unterschiedlichen Kranken als Vertretung einspringen, stehen auch ihnen die vollen 1550 Euro zu.

Ein Leistungsmix ist möglich

Möglich ist, Verhinderungs- plus Kurzzeitpflege auszuschöpfen, betont Gottfried. Damit sei eine Entlastung von insgesamt acht Wochen im Jahr drin. Wer einen dementen Patienten pflegt, kann noch eine Betreuungsleistung von 100 Euro im Monat beantragen. Für das Geld lassen sich ein paar Stunden Vertretung bei anerkannten Betreuungsdiensten organisieren. Bei besonders schwerer Beeinträchtigung zahlt die Kasse 200 Euro dafür. Wer sich Rat holt und clever tüftelt, kann damit zum Beispiel die Kurzzeitpflege seines kranken Ehemanns in einem Kurort aufstocken und selbst dort Urlaub machen. Dann ist beiden gedient. Beratung für pflegende Angehörige bieten Pflegekassen sowie Pflegestützpunkte in den Bundesländern.

© SZ vom 04.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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