Sarrazin und die Bundesbank:Die Axel-Weber-Show

Lesezeit: 2 min

Thilo Sarrazin darf nicht Vorstand bei der Bundesbank bleiben. Doch zuletzt ging es gar nicht mehr um ihn, sondern um seinen Chef Axel Weber: Der musste beweisen, dass er Format hat.

Hans von der Hagen

Thilo Sarrazin schmückt sein umstrittenes Buch Deutschland schafft sich ab mit manch sakralem Vers. "Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch", zitiert er aus der Bibel.

Thilo Sarrazin: Zu viel Getöse für eine verschwiegene Bank. (Foto: N/A)

Zuversichtlich ist er dennoch nicht: Sarrazin schwärzt vielmehr die Zukunft der Republik mit religiösem Eifer. Und nun antwortet die Bundesbank, an die nach Auffassung des früheren EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors mehr Deutsche glauben als an Gott, mit heiligem Zorn: Sarrazin muss gehen. Diesmal lässt ihn der Bundesbankvorstand nicht davonkommen - wie noch vor einem Jahr, als Sarrazin über die "Kopftuchmädchen" herzog.

Doch so erbost die Bundesbank-Vertreter auch gewesen sein mögen, für den Schwertstreich haben sie sich viel Zeit gelassen. An Entschlossenheit soll es nicht gemangelt haben, doch die Entlassung eines Bundesbank-Vorstandsmitglieds ist nur mit Winkelzügen möglich.

Darum blieben die Frankfurter mit ihrer Argumentation stets im Vagen. Sarrazin schade dem Ansehen der Bundesbank, verletze seine Pflichten als Vorstand, hieß es. Und er gefährde den Betriebsfrieden in dem Frankfurter Betonblock.

So reden die, die nicht wissen, wie sie argumentieren sollen, um sich arbeitsrechtlich nicht ins Abseits zu manövrieren. Zu groß ist die Gefahr, dass am Ende die Entlassung doch noch am Gesetz scheitern könnte.

Doch tatenloser Zorn schadet dem Image, das weiß auch Bundesbank-Chef Axel Weber. Darum war das, was sich zuletzt im Bundesbankvorstand abspielte, nicht mehr die Sarrazin-Story, sondern die Axel-Weber-Show. Es ging um die alles entscheidende Frage: Wird Axel Weber mit einem wie Sarrazin fertig, selbst wenn es formal schwierig ist? Im europäischen Ausland interessieren die juristischen Bodenwellen in Deutschland nicht. Da will man wissen, ob Weber neben seinen unbestrittenen fachlichen Qualifikationen auch genügend Format und Fortune hat, einmal die Europäische Zentralbank zu führen.

Die Antwort heißt nun: Weber hat es bewiesen, zerzaust zwar von dem Anschein der Tatenlosigkeit, ansonsten aber ohne größere Blessuren. Immerhin musste er etwas tun, was noch keiner vor ihm getan hat: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde die Abberufung eines Vorstands der Zentralbank beim Bundespräsidenten gefordert. Nur der kann Sarrazin entlassen.

Und Sarrazin? Er ist wohl von der Heftigkeit der öffentlichen Reaktion auf seine Äußerungen überrollt worden, doch den Rauswurf bei der Bundesbank musste er von vorneherein ins Kalkül gezogen haben.

Wer bei einer derartig verschwiegenen Institution wie der Bundesbank arbeitet, kann eben nicht mit Getöse durch das Land ziehen. Da ist es fast schon egal, was Sarrazin im Einzelnen alles behauptet hat. Der Rauswurf war der Preis für die größte Provokation seines Lebens. Und wo viele Worte sind, da geht's eben ohne Sünde nicht ab. Das wusste Sarrazin. Steht ja auch in der Bibel.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: