Sanieren:Weg mit dem Schimmel

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Kleine Schimmelschäden können auch Laien entfernen, vorausgesetzt, sie sind gesund. Bei großen Flächen müssen Profis ran. Deren Arbeit soll ein neuer Schimmelleitfaden des Umweltbundesamtes erleichtern. (Foto: imago)

Schimmel wird oft nur unzureichend beseitigt. Ein verschärfter Leitfaden des Umweltbundesamtes soll im Kampf gegen die Sporen helfen. Doch Kritiker befürchten unnötige Sanierungen.

Von Felicitas Witte

Es ist von "Abzockern" die Rede, von "Aussagen wie Gummi" und der Befürchtung, dass intakte Dächer abgerissen werden müssen: Am neuen Schimmelpilz-Sanierungsleitfaden des Umweltbundesamtes (UBA) entzündet sich Kritik. Dabei ist er noch gar nicht fertig, er soll erst im Frühjahr oder Sommer veröffentlicht werden. Aber Anfang 2016 hatte das Amt einen Entwurf des Leitfadens ins Internet gestellt, und jeder konnte ihn bis Juni kommentieren, Experten ebenso wie Laien. Und so prüft das UBA jetzt die Kommentare dazu.

Würde das Papier, das eine Hilfe zur fachgerechten Feststellung, Beseitigung und Verhinderung von Schimmel in Gebäuden geben soll, in der jetzigen Form publiziert, hätte das katastrophale Folgen, meinen Kritiker. Bauherren würden verunsichert, es entstünden unnötige Gerichtsstreitigkeiten und unnötige Sanierungen. Dann würde der Schimmel in mehr Häusern professionell beseitigt - und auf dieses Wort kommt es an - als notwendig.

Klar, dass die Verfasser des Leitfadens das zurückweisen. "Bei Schimmelbefall wird bisher viel zu häufig unprofessionell gearbeitet. Wände werden Dutzende Male überpinselt und übertüncht, und immer wieder ziehen die Mieter nach kurzer Zeit aus, weil es riecht und schimmelt", sagt Volker Mersch-Sundermann, Chef-Umweltmediziner an der Uniklinik in Freiburg, der an dem Leitfaden mitgeschrieben hat.

Was die Kritiker mit Abzocker meinen, erklärt Dennis Nowak, Chef-Umweltmediziner an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München: "Ist der Leitfaden unpräzise formuliert, können ihn Sanierer bewusst falsch auslegen und damit Kunden anlocken." So sei es zum Beispiel total übertrieben, beim kleinsten Nachweis von Schimmel alles Mögliche rückzubauen. "Das ist, wie wenn ein Zahnarzt bei einem Loch im Zahn dem Patienten eine Serie Implantate andreht." Seine Oberärztin Uta Ochmann meint, nur weil unseriöse Sanierer sachlich richtige Empfehlungen auf ihre Weise uminterpretieren und zweckentfremden könnten, könne man ja nicht gleich die Empfehlungen in Zweifel ziehen. "Die Kritiker fühlen sich womöglich nicht respektiert und fürchten, das UBA spreche ihnen ihre Expertise ab", sagt sie.

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2002 brachte das UBA zum ersten Mal einen solchen Leitfaden heraus ("Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen"), der 2005 überarbeitet wurde. "Der Leitfaden wurde oft bei uns bestellt oder heruntergeladen", sagt Regine Szewzyk, Leiterin des Fachgebietes Mikrobiologische Risiken beim UBA und ebenfalls eine der Autorinnen. Jetzt sei der Leitfaden aber ziemlich in die Jahre gekommen. "Wir wollen aktuellere Empfehlungen im Hinblick auf die neuen Energiespar-häuser und Lüften geben und werden auch auf unterschiedliche Innenräume eingehen", sagt sie. Es soll auch besser erklärt werden, wann befallene Bauteile entfernt werden müssen. Der Leitfaden richtet sich an alle, die Schimmel erkennen, bewerten und ein Sanierungskonzept erarbeiten wollen, also zum Beispiel Gebäudebesitzer, Sachverständige und Behörden.

Etwa drei bis zehn Prozent der Menschen sind auf Schimmelpilze sensibilisiert

Dass doch einiges an Kritik kam - geantwortet haben immerhin mehr als 50 Personen - zeige, dass es Diskussionsbedarf gebe, betont Szewzyk. Sachverständige, Versicherer, Handwerker, Umweltmediziner, Gutachter und auch Privatleute füllten mit etwa 600 Kommentaren mehr als 300 Seiten. Insgesamt sei die Kritik konstruktiv. Bemängelt wurde zum Beispiel, dass ein Zusammenhang zwischen Energiesparhäusern und zunehmendem Schimmelwachstum hergestellt werde, ohne dies mit entsprechenden Studien zu belegen. Oder dass eben konkreter formuliert werden solle, wann ein Rückbau erforderlich sei - damit Abzocker keine Chance haben. Oder dass neue medizinische Erkenntnisse nicht erwähnt wurden.

"Wir lesen uns alle Kommentare sorgfältig durch und prüfen, ob die Einwände berechtigt sind", versichert Szewzyk. Möchte jemand zum Beispiel eine bestimmte Methode zur Messung von Schimmel geändert haben, werden Fachleute gefragt, ob das sinnvoll wäre. Hat jemand Passagen falsch interpretiert, überlegt Szewzyks Team, wie man den Text verständlicher formulieren könnte. Vor allem für "Schimmel-Neulinge" liest sich der Leitfaden, der mit reichlich Fachbegriffen gespickt ist, etwas holprig. Auch der üppige Umfang (mehr als 120 Seiten) des Entwurfs wird kritisiert. So bemängeln manche der Kritiker, man bräuchte nicht all die Keime aufzuzählen, die im Zusammenhang mit Schimmelpilzen auftreten könnten, wenn gar nicht nachgewiesen sei, dass sie der Gesundheit schadeten.

Natürlich gibt es auch viel Zustimmung. Grundsätzlich sei es gut und wichtig, darüber zu informieren, was Schimmel mit der Gesundheit mache und wie man ihn beseitige - wenn auch die Gefahr durch Schimmel kleiner ist, als viele denken. Zu Umweltmediziner Mersch-Sundermann kommen immer wieder Leute mit Niesreiz, Erschöpfung oder Kopfschmerzen und vermuten, das läge am Schimmel in ihrer Wohnung. "Einige Schimmelpilze bilden sogenannte Mykotoxine, und manche Leute meinen, die würden die Beschwerden auslösen", sagt er. "Das konnte in Studien aber nie bewiesen werden."

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Was aber klar ist: Schimmelpilze können eine Allergie auslösen, die sich meist wie Heuschnupfen oder Asthma äußert. Etwa drei bis zehn Prozent der Menschen sind auf Schimmelpilze sensibilisiert, das heißt, dass sich bei ihnen sogenannte IgE-Abwehrstoffe nachweisen lassen. "Das bedeutet aber nicht automatisch, dass diese IgE an die Immunzellen binden und über die Ausschüttung von Botenstoffen zu Heuschnupfen oder Asthma führen", erklärt Allergologin Ochmann.

Schimmelpilze wirken weniger allergen als andere Stoffe in der Umwelt, die auch solche Symptome auslösen, etwa Pollen, Milben oder Katzen. "Das macht es noch unwahrscheinlicher, dass sie für solche Symptome verantwortlich sind." Deshalb sollte die neue Leitlinie präziser werden: Dort heißt es nämlich, drei bis zehn Prozent der Bevölkerung hätten eine Allergie auf Schimmelpilze, dabei sind es vermutlich viel weniger. "Man darf mit so einer Leitlinie keine unbegründete Angst schüren", warnt Peter Falkai, Chef-Psychiater an der LMU.

Dennoch: Der Schimmel muss weg aus den Gebäuden, da sind sich die Experten einig. Weniger als einen halben Quadratmeter können gesunde Menschen mit Wasser und Haushaltsreiniger selbst entfernen, ansonsten ruft man besser den Fachmann. "Wie man dann vorgeht, muss man immer im Einzelfall beurteilen - es gibt kein Patentrezept", sagt Mersch-Sundermann. "Deshalb ist unser Leitfaden auch so ausführlich."

© SZ vom 20.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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