Schimmel in der Wohnung verursacht in manchem Haushalt Angst und Panik. Hans Peter Seidl ist Mikrobiologe an der TU München und Spezialist für Pilzdiagnostik. Er ärgert sich immer wieder, wie unseriös das Thema Schimmelpilze behandelt werde und wie oft Laien mit falschen Aussagen verängstigt würden. "Viele schüren durch Schlagzeilen gezielt Ängste." So sei von Aspergillen aus Blumenerde die Rede, die die Lunge einer "ahnungslosen Pflanzenfreundin" attackieren würden, oder von "Sporen aus der Biotonne", die eine "gefährliche Zeitbombe" sein könnten. Wer in der Wohnung Schimmel entdeckt, muss in der Regel nicht gleich Angst um seine Gesundheit haben. Es gibt allerdings auch Personengruppen, für die ein Befall gefährlich werden kann.
"Schimmelpilze gehören zu unserem Leben dazu", sagt Gerhard Wiesmüller, Professor für Hygiene und Umweltmedizin am Uniklinikum Aachen. "Dass sie krank machen, brauchen gesunde Menschen aber nicht zu fürchten. Denn die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr gering." Schimmelpilze bilden dünne Fäden und Sporen. Letztere sind so klein, dass sie in der Luft über weite Strecken schweben und eingeatmet werden können. In Europa leben etwa 200 verschiedene Schimmelpilzarten. In Haus oder Wohnung bilden sie farbige, oft braune oder schwarze Flecken an Wänden, Decken oder Möbeln. "Wachsen sie im Verborgenen, bemerkt man sie meist erst durch ihren Geruch", sagt Wiesmüller. "Dann riecht es modrig, muffig und ziemlich unangenehm."
Der britische Arzt Charles Blackley war vermutlich der Erste, der den Effekt von Schimmel auf die Gesundheit untersucht hat. 1870 unternahm er einen heldenhaften Selbstversuch und atmete Pilzsporen ein. "Ziemlich unangenehme Beschwerden" habe er dann bekommen, schreibt er und wünschte, er hätte sich freiwillig dem nicht ausgesetzt. Dafür, dass so viele Schimmelpilzsporen um uns herumfliegen, haben sich Forscher wenig darum gekümmert.
Allergieauslöser Schimmel
"Bei der Schimmelpilzforschung hinken wir im Vergleich zu anderen Umweltallergien, etwa gegen Pollen, ziemlich hinterher", sagt Monika Raulf, Wissenschaftlerin am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Ruhr-Universität Bochum. Die Forschung sei aber mühseliger als bei anderen Umweltkrankheiten. "Zum einen ist der Nachweis von Schimmelpilzen viel aufwendiger als von Pollen", sagt Raulf. "Und es ist auch nicht so einfach, einen Zusammenhang zwischen den Schimmelpilzen und Beschwerden herzustellen."
Was klar zu sein scheint: Schimmelpilze können eine Allergie auslösen, die sich meist wie Heuschnupfen oder Asthma äußert. Das Risiko ist höher, wenn man schon unter Heuschnupfen, Neurodermitis oder anderen Allergien leidet. Als allergieauslösender Stoff (Allergen) wirken dabei Eiweiße in den Sporen oder in den Fäden der Pilze.
Bei einem ersten Kontakt mit den Pilzen sensibilisiert sich der Körper: Er bildet sogenannte IgE-Abwehrstoffe gegen die Eiweiße, die sich an bestimmte Immunzellen (Mastzellen) binden. Bei einem zweiten oder späteren Kontakt schütten diese Histamin und andere Botenstoffe aus, was die typischen Beschwerden auslöst. Studien zeigen, dass etwa fünf Prozent der Menschen für Schimmelpilze sensibilisiert sind, also dass sich bei ihnen IgE nachweisen lässt. "Das ist erstaunlich wenig, wenn man bedenkt, dass in der Innenluft 100 bis 1000 und in der Außenluft je nach Jahreszeit und Vegetationsperiode mehr als 10 000 Sporen pro Kubikmeter herumfliegen", sagt Raulf.