Geldanlage:Prämiensparen wird Sparkassen wohl zu teuer

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Die Vorstandsmitglieder einer Sparkasse posieren neben dem Sparkassenlogo. Sparkassen in ganz Deutschland verärgern ihre Kunden mit Kündigungen und falsch berechneten Zinsen. (Foto: Marc Tirl/dpa)

Sie wollen raus aus diesen alten, gut verzinsten Verträgen. Was betroffene Verbraucher tun können.

Von Katharina Prechtl

Beim derzeitigen Zinsniveau klingt das Angebot attraktiv: "Für die Kapitalanlage auf dem Zinsdirektkonto bieten wir Ihnen einen Zinssatz von 1,5 Prozent vereinbart für ein Jahr an." Sparkassen in ganz Deutschland haben solche Alternativangebote an viele tausend Kunden geschickt. Doch die Empfänger - Sparkassen-Kunden mit Prämiensparverträgen - waren gar nicht begeistert. Denn laut ihren alten Verträgen hätten sie Prämien von bis zu 50 Prozent auf einzelne Einzahlungen bekommen.

In den 1990er- und frühen 2000er-Jahren waren Verträge namens "S-Prämiensparen flexibel" das beliebteste Sparprodukt bei vielen Sparkassen. Sparer zahlen dabei monatlich einen Betrag ein, das gesamte Sparguthaben wird mit einem veränderlichen Zinssatz verzinst. Ihren Namen haben die Verträge von der Prämie, mit der die Einzahlungen des jeweiligen Jahres bezuschusst wird - zusätzlich zum variablen Zins auf das Gesamtguthaben. In den ersten Jahren beträgt die Prämie beispielsweise drei Prozent. Sie steigt mit der Zeit an und beträgt so nach 15, 20 oder 25 Jahren Laufzeit bis zu 50 Prozent. Die Sparkassen wollen die Verträge nun loswerden; sie können die hohen Zahlungen unter den derzeitigen Bedingungen nicht erwirtschaften. Vielfach verschicken sie daher Alternativangebote, oft werden die Sparverträge auch einfach ersatzlos gekündigt. Darüber hinaus verwendeten viele Sparkassen jahrelang rechtswidrige Zinsanpassungsklauseln, Kunden können daher oft hohe Beträge nachfordern. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

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Die gekündigten Verträge sind meist gerade im zehnten oder 15. Sparjahr angekommen, von diesem Zeitpunkt an werden die Prämien richtig attraktiv. Wer monatlich 100 Euro einzahlt und auf seine jährliche Einzahlung eine Prämie von 50 Prozent bekommen soll, verliert pro Jahr vorzeitiger Kündigung 600 Euro. Aufmerksam geworden durch die vorzeitigen Kündigungen der Prämiensparverträge rechneten die Verbraucherzentralen (VZ) Sachsen und Sachsen-Anhalt auch die Zinszahlungen nach. Das Ergebnis: "Bei der Mehrzahl der Verbraucher gibt es Nachzahlungsansprüche", sagt Ute Bernhardt, Rechtsexpertin bei der VZ Sachsen-Anhalt. Bei einer häufigen Variante, bei der monatlich 100 Euro eingezahlt werden, kommen die Verbraucherschützer je nach zugrundegelegtem Zinssatz auf Erstattungsansprüche zwischen 850 und 1300 Euro aufgrund von falsch berechneten Zinsen.

Wie ist die rechtliche Lage?

Ob die Kündigungen rechtens sind, ist noch nicht endgültig entschieden. In einem ähnlichen Fall, bei dem die Sparkasse Ulm sogenannte Scala-Verträge vorzeitig kündigte, bekamen Verbraucherschützer 2011 vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart Recht; die Kündigungen mussten zurückgenommen werden. Das OLG Naumburg urteilte jedoch 2018, dass die Kündigungen in den beklagten Fällen rechtens seien. Die VZ Sachsen-Anhalt hofft jetzt, vor dem Bundesgerichtshof (BGH) doch noch Recht zu bekommen. Sie argumentiert damit, dass die Verträge mit sehr langfristigen Prämienstaffeln beworben wurden.

Über die variablen Zinszahlungen bei Prämiensparverträgen wurde zum ersten Mal 2004 verhandelt. Während die jährlichen Prämien in den Verträgen festgelegt sind, wird der variable Zinssatz an den aktuellen Marktzins angepasst. Bis 2004 ging aus den Zinsklauseln in den Sparverträgen aber meist nicht hervor, wie die Zinsen genau berechnet wurden. Der BGH entschied daher, dass die Zinsen sich an festen Bezugsgrößen des Kapitalmarkts orientieren müssen. Auch Klauseln, die besagen, dass der jeweils gültige Zinssatz durch einen Aushang bekanntgegeben wird, sind nach dem BGH-Urteil aus dem Jahr 2004 ungültig. Wer eine ähnliche Formulierung in seinem Vertrag hat, sollte mit seiner Bank eine neue Zinsanpassungsregelung aushandeln und nicht ausbezahlte Zinsen einfordern, empfiehlt Niels Nauhauser von der VZ Baden-Württemberg. Gleiches gilt für alle Klauseln, aus denen nicht klar hervorgeht, wie der Zins berechnet wird. Obwohl das erste BGH-Urteil zu den variablen Zinsklauseln mittlerweile 15 Jahre alt ist, haben noch längst nicht alle Sparkassen reagiert. Auch viele neue, angeblich an den BGH-Urteilen orientierte Zinsberechnungen, sind nach Ansicht von Verbraucherschützern nicht rechtens.

Wie kommen Kunden zu ihrem Geld?

Die VZ Baden-Württemberg mahnte die Sparkasse Lörrach-Rheinfelden im Januar 2018 wegen einer ungültigen Zinsanpassungsklausel ab. Die Sparkasse gab eine Unterlassungserklärung ab. Der Vorstandsvorsitzende André Marker sagte damals, es gehe nur um die Formulierungen, er sehe keine Nachforderungsansprüche. Sparkassenkundin Hannelore Siebold sprach ihren Bankberater kurz darauf auf die möglicherweise falsch berechneten Zinsen an. Der versprach, die Sparkasse werde den Fall prüfen, tatsächlich passierte aber nichts. Siebold und ihr Mann stellten im September 2018 dennoch einen Antrag auf Überprüfung der Zinsen für zwei im Jahr 2009 gekündigte Sparverträge. Entgegen ihrer ursprünglichen Aussage musste die Sparkasse daraufhin anerkennen, dass für beide Verträge bis zur Anpassung der Zinsklausel etwa 800 Euro an Zinsen zu wenig gezahlt worden waren. Für einen weiteren, noch laufenden Prämiensparvertrag wurde ein Anspruch von 1900 Euro errechnet.

Der Vorstandsvorsitzende André Marker sagt dazu:. "Unsere Verträge haben zu jeder Zeit dem geltenden Recht entsprochen". Der BGH habe die Klauseln schließlich erst Jahre nach Vertragsabschluss für ungültig erklärt. Marker findet es daher eher großzügig von seinem Institut, dass überhaupt Nachzahlungen geleistet wurden. Für Verbraucherschützer Nauhauser zeigt der Fall zweierlei: Einerseits müssen Kunden mögliche Ansprüche aktiv einfordern. Warten, dass die Bank von selbst nachzahlt, sollte man nicht. Zudem sollte man sich nicht von Aussagen der Bank abschrecken lassen, dass keine Ansprüche bestünden und schon längst alles richtig berechnet werde.

Welche Verträge sind noch betroffen?

Bisher wurden hauptsächlich Fälle von Sparkassen-Kunden bekannt. Doch auch andere Banken haben Zinsen für Sparverträge falsch berechnet. 2018 musste die Sparda-Bank Baden-Württemberg einem Kunden 2000 Euro nachzahlen. Auch manche Volksbanken verwenden in ihren Sparverträgen Klauseln, die einen negativen Zinssatz zulassen. Die VZ Baden-Württemberg lässt derzeit außerdem die Zinsanpassungsklausel in Riesterverträgen der Kreissparkasse Tübingen überprüfen. Sollte die Klausel sich als rechtswidrig erweisen, betrifft das möglicherweise auch viele weitere der insgesamt 700 000 Riester-Banksparpläne von Sparkassen und Volksbanken.

Wo gibt es weitere Informationen?

Auf der Internetseite der VZ Baden-Württemberg können Sparer die unzulässigen Klauseln nachlesen und sich darüber informieren, wie der Zinssatz korrekt berechnet wird. Dort findet sich auch ein Musterbrief, mit dem Kunden ihre Bank auffordern können, die Zinsen im Sparvertrag korrekt anzupassen. Die Verbraucherzentralen Sachsen und Sachsen-Anhalt überprüfen gegen eine Gebühr von 85 beziehungsweise 60 Euro, ob Zinsen falsch berechnet wurden.

© SZ vom 01.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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