Nervosität an den Märkten:Grob fahrlässiges Pleiten-Geplänkel

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Es geht nicht mehr nur um Griechenland, auch nicht mehr nur um den Euro - es geht darum, einen weltweiten Flächenbrand zu verhindern.

Nikolaus Piper

Griechenland ist Europas Lehman Brothers. Der böse Satz war nie richtiger als am Freitag dieser Woche. Es war wie in den schlimmsten Zeiten der Finanzkrise. Die Angst vor einer Pleite Griechenlands führte dazu, dass die Börsenkurse in New York zeitweise um bis zu neun Prozent abstürzten. Griechenland ist nicht die einzige Erklärung für die Nachmittags-Panik an der Wall Street. Sicher trug die allgemeine Unsicherheit über die Zukunft der Weltwirtschaft ebenso dazu bei wie schwerwiegende Systemmängel im Computerhandel.

Seit infolge der Finanzkrise die Staatsverschuldung in fast allen Industrieländern massiv gestiegen ist, wachsen Zweifel an der Solvenz der betreffenden Nationen. (Foto: Foto: AP)

Aber die Initialzündung zu der Verkaufswelle waren die Pleitegerüchte um Griechenland. Auch der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman im September 2008 war ja nicht die Ursache der Finanzkrise und der Rezession. Aber er hatte die Krise in einem fatalen Moment zur Jahrhundertkrise verdichtet, zum Beinahe-Zusammenbruch des Weltfinanzsystems.

Die Panik hat sich wieder gelegt, doch die Episode hat gezeigt, wie explosiv die Lage gegenwärtig ist. Schon Computer- oder andere Systemfehler an einer Börse können eine Katastrophe auslösen. Es geht daher längst nicht mehr nur um Griechenland, es geht nicht einmal mehr nur um den Euro. Es geht darum, einen Flächenbrand in der ganzen Welt zu verhindern.

Seit infolge der Finanzkrise die Staatsverschuldung in fast allen Industrieländern massiv gestiegen ist, wachsen Zweifel an der Solvenz der betreffenden Nationen. Investoren scheuen das Risiko und verlangen höhere Aufschläge, was die Lage weiter verschärft. In solch einer Situation extremer Unsicherheit kann die Panik von einem Krisenherd sehr schnell überspringen auf Länder, die es eigentlich ohne Unterstützung von außen noch gut schaffen könnten.

Es ist daher verständlich, wenn Politiker in Berlin und anderswo auf "die" Finanzmärkte und "die Spekulanten" schimpfen. Aber sie richten damit großen Schaden an und erreichen das Gegenteil dessen, was sie erreichen wollen.

In Wahrheit brauchen die Regierungen die Finanzmärkte mehr denn je; es geht schließlich darum, dass Griechenland, Portugal, Spanien und Italien zu vernünftigen Konditionen Kredite bekommen. Die Lösung der Krise hängt davon ab, dass sich Menschen und Institutionen finden, die bereit sind, griechische Staatsanleihen zu kaufen. Steigt das Risiko, dass Gläubiger ihr Geld nicht mehr zurückbekommen, geht dies in die Preise der Anleihen mit ein.

Europas Politik hat das Gesetz des Handelns abgegeben, weil es so lange gedauert hat, bis das Hilfspaket für die Griechen stand. Jetzt gibt es große Zweifel, ob die Maßnahmen auch wirken. Das wiederum ist eine Aufforderung, für den Fall des Scheiterns vorzubauen.

Wenn die Kanzlerin sagt: "Die Spekulanten sind unsere Gegner", dann werden sich diese Spekulanten freuen. Denn sie können jetzt darauf wetten, dass die deutsche Politik nicht weiß, um was es geht.

Geradezu unfassbar ist es, wenn Thilo Sarrazin, immerhin ein Vorstandsmitglied der Bundesbank, in aller Öffentlichkeit sagt, er könne nicht erkennen, wie ein Land mit einem Schuldenberg wie Griechenland eine "dauerhafte Perspektive" haben solle. Solche Sätze sind einhundertmal schädlicher, als wenn griechische Kommunisten die Akropolis besetzen. Man kann nur hoffen, dass niemand auf den Finanzmärkten Sarrazin ernst nimmt.

Die Finanzmärkte brauchen neue Regeln, sie werden auch kommen, wenn die Republikaner im US-Kongress ihre Fundamentalopposition gegen Präsident Obamas guten Gesetzentwurf aufgeben, und wenn in der EU die Gesetzgebung vorankommt.

Aber gegenwärtig erfüllen die Märkte ihre Aufgabe: Sie suchen nach dem Preis für das Risiko von Staatspleiten. Natürlich sehen Hedgefonds die Chance, Milliarden auf eine Pleite zu setzen. Töricht ist es, sie durch fahrlässige Reden dazu auch noch zu ermuntern.

© SZ vom 08.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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