Mieterschutz:Lasst uns reden

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Die meisten Mieter zahlen pünktlich. Wer das nicht schafft, braucht Hilfe - und verständnisvolle Vermieter. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Mieter- und Eigentümerverbände rücken in der Corona-Krise zusammen. Was Mieter tun können, wenn das Geld knapp wird.

Von Andreas Jalsovec und Wolfgang Janisch

Das Corona-Virus bringt mitunter auch sehr gegensätzliche Pole zusammen. Einmütig haben Mieterbund, der Eigentümerverband Haus & Grund und die Verbände der Immobilienwirtschaft Mieter und Vermieter dazu aufgefordert, sich zu verständigen, sollten Mieter wegen der Krise in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Jetzt komme es "mehr denn je auf Gemeinsinn an", ließ der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen verlauten. Der Verband forderte gar zusammen mit dem Deutschen Mieterbund die Einrichtung eines "Sicher-Wohnen-Fonds", um klammen Mietern zu helfen und Wohnungsverlust zu vermeiden. Dies seien "keine Zeiten der Auseinandersetzung, sondern der gemeinsamen Verantwortung", teilten beide Verbandspräsidenten mit.

Die sonst eher seltene Harmonie zeigt: Die Verbände rechnen wegen der Corona-Krise mit ziemlich harten Zeiten auf dem deutschen Mietmarkt. Wegen der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie könnte vielen Mietern das Einkommen wegbrechen. Sie können dann die Miete nicht mehr zahlen - sei es für die Wohnung oder für eine gemietete Gewerbeimmobilie. Auch Vermieter könnten dann in Schwierigkeiten geraten.

Wer ist besonders betroffen?

Sowohl Mieterbund als auch der Eigentümerverband Haus & Grund gehen davon aus, dass zunächst vor allem Selbstständige, Freiberufler und Kleingewerbetreibende an finanzielle Grenzen stoßen. "Viele von ihnen sind von den Schließungen wegen des Corona-Virus' betroffen", sagt Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund. Dazu gehörten etwa Kneipen, Gasthäuser und Kleinfirmen, die Personalkosten tragen müssen. "Da sehen wir das größte Risiko", sagt Warnecke. Bei privaten Wohnungen gebe es "kurzfristig kein Problem". Der Deutsche Mieterbund weist dagegen darauf hin, dass auch dort Menschen befürchten müssten, ihre Wohnung zu verlieren - vor allem jene, "die von Kurzarbeit und Arbeitsplatzverlust betroffen sind". Das dürften in den kommenden Wochen immer mehr werden.

Kann man die Miete aussetzen?

Nein. Eine Mietkürzung oder ein Aussetzen der Miete ist nur möglich, wenn das Mietobjekt einen Mangel aufweist. "Die Pandemie ist aber kein Mangel der Mietsache", sagt Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund. Krankheit und Krise seien Umstände, die von außen kommen und nichts mit dem Mietobjekt zu tun haben. Dasselbe gelte für behördliche Anordnungen, Betriebe zu schließen. Dann könne man zwar eine Immobilie nicht mehr im ursprünglichen Sinne nutzen. "Aber auch das ist grundsätzlich kein Mangel der Mietsache", meint Hartmann: "Es gibt daher keinen Anspruch auf Mietminderung."

Wie sollten Mieter vorgehen?

Wenn absehbar ist, dass es finanziell eng wird, sollten Betroffene das Gespräch mit dem Vermieter suchen. "Und zwar so früh wie möglich", sagt Kai Warnecke: "Es wäre fatal, Zeit verstreichen zu lassen und nichts zu unternehmen." Insbesondere sollten Mieter nicht einfach kommentarlos die Miete aussetzen. Dann droht bei privaten Wohnungen bereits nach zwei Monaten Zahlungsverzug die Kündigung. Bei Gewerbeimmobilien hängt es von der vertraglichen Vereinbarung ab. "Wer nicht zahlen kann, sollte dringend mit seinem Vermieter reden", sagt daher auch Jutta Hartmann vom Mieterbund. Die Juristin rät dazu, mit dem Vermieter eine schriftliche Vereinbarung zu treffen. Sie sollte eine Kündigung für eine bestimmte Zeit ausschließen. Außerdem könnten eine Mietstundung und spätere Nachzahlungen der Miete vereinbart werden. "Es geht darum zu erreichen, dass man als Mieter die Zahlungen später nachholen kann. Etwa dann, wenn das eigene Geschäft wieder läuft."

Können Mieter auf Kulanz hoffen?

"Ganz klar ja", sagt Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke. Dies gelte jedenfalls für die große Mehrzahl der in dem Eigentümer-Verband zusammengeschlossenen Vermieter. Diese seien ausnahmslos "private Einzelpersonen, die in den meisten Fällen ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Mietern haben". Warnecke glaubt daher, dass die Vermieter in den allermeisten Fällen auch gesprächsbereit seien. Mieterbund-Vertreterin Hartmann schätzt es ähnlich ein: "Ich denke, ein Großteil der Vermieter dürfte für solche Vereinbarungen offen sein."

Was kann man tun, wenn es keine Einigung gibt?

Zwar darf der Vermieter bei Zahlungsverzug kündigen. Wegen der außergewöhnlichen Umstände könnte eine solche Kündigung allerdings gegen den Grundsatz von "Treu und Glauben" verstoßen, niedergelegt in Paragraf 242 Bürgerliches Gesetzbuch. Dieser allgemeine Grundsatz kommt dann zum Einsatz, wenn das sture Vorgehen nach den Buchstaben des Gesetzes zu einem mit Recht und Gerechtigkeit offensichtlich unvereinbaren Ergebnis führt. Ob die Corona-Krise ein Fall für Paragraf 242 ist, darüber hat naturgemäß noch kein Gericht entschieden. "Ich sehe aber gute Chancen, dass eine solche Kündigung treuwidrig sein könnte, weil es um ein Risiko geht, das eigentlich alle gemeinsam tragen sollten", sagt Thomas Hannemann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht im Deutschen Anwaltverein. Zum Beispiel dann, wenn ein Wirt wegen der Schließung seiner Gaststätte mit der Pacht in Rückstand gerät. In einem möglichen Rechtsstreit könnte er sich dann auf den Paragrafen 242 berufen.

Wie hilft der Staat?

Die Bundesregierung hat angekündigt, wegen der Corona-Krise einen Notfallfonds einzurichten. Er soll Kleinunternehmern auch bei Verbindlichkeiten aus Miet- und Pachtverhältnissen helfen. Unter anderem bietet die staatseigene Förderbank KfW ab sofort Kredite an. Kai Warnecke weist darauf hin, dass Mieter, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten, bei den Kommunen Wohngeld beantragen können: Wer in Schwierigkeiten gerate, "sollte das zügig machen", sagt Warnecke. Der Mieterbund fordert, dass für Mieter in finanziellen Nöten der neu zu schaffende "Sicher-Wohnen-Fonds" die Mietzahlungen übernimmt. Wichtig sei auch eine gesetzliche Regelung, die Wohnungskündigungen für die Zeit der Krise ausschließe. Außerdem müsse es eine "rechtssichere Möglichkeit zur Stundung zur Mietzahlungen geben", sagt Hartmann: "Mit solchen Regelungen ließe sich ein flächendeckender Wohnungs- und Gewerbeimmobilienverlust verhindern."

© SZ vom 21.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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