Manipulationen mit Aktien:Weiterer prominenter Anlegerschützer unter Verdacht

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Größter deutscher Aktienbetrug weitet sich aus: Zwei Beschuldigte könnten allein im Fall Wirecard Millionen Euro kassiert haben.

A. Hagelüken und H. Wilhelm

Beim bisher größten Schlag gegen Aktienmanipulation rückt ein weiterer prominenter Anlegerschützer ins Visier der Justiz. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung steht auch Christoph Oefele unter Verdacht, bei verbotenem Insiderhandel mitgemacht haben.

Oefele tritt für die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) auf Hauptversammlungen auf. Die Staatsanwaltschaft München geht davon aus, dass Oefele wie der bereits zurückgetretene SdK-Vize Markus Straub wegen Insiderwissens auf fallende Kurse der Firma Wirecard setzte. Straub sitzt wie zwei weitere Beschuldigte in Untersuchungshaft. Oefele ist seit längerem aktiv bei der zweitgrößten deutschen Anlegerschutz-Organisation, die sich eigentlich den Interessen privater Aktionäre verschrieben hat.

Der 42-jährige Oefele, der sich auf Anfrage nicht äußern wollte, ist Geschäftsführer einer Firma für Wirtschaftsanalysen, Aufsichtsrat beim TSV 1860 München - und ausgerechnet Sachverständiger für geschädigte Anleger.

Ermittlungen gegen Börsenjournalisten

Die Münchner Justiz ermittelt gegen mehr als 30 Beschuldigte, vor allem Vermögensverwalter und Börsenjournalisten. Sie sollen als kriminelles Netzwerk bei 20 Firmen Insiderwissen ausgenutzt oder die Kurse gezielt nach oben und unten getrieben haben. So wohl geschehen im Fall des Zahlungsdienstleisters Wirecard, über den immer neue Details bekannt werden. Der Verdacht: Im Frühjahr 2008 sprach der SdK-Vize Straub den Vorsitzenden der Schutzorganisation, Klaus Schneider, an. Beide entwickelten eine negative Einschätzung der Aktie des Unternehmens - und äußerten diese auch öffentlich unter anderem auf der Hauptversammlung der Firma im Juni. Der Aktienkurs stürzte ab.

Schneider kritisierte damals unter anderem, die Bilanz des Unternehmens sei irreführend. Es habe 2007 einen zu hohen operativen Cash-Flow ausgewiesen. Außerdem beklagte er Ungereimtheiten im Zusammenhang mit Tochtergesellschaften von Wirecard in Steueroasen wie Gibraltar und den Virgin Islands. Schneider hält diese Meinung nach Angaben seines Anwalts nach wie vor für richtig, das Thema war Gegenstand zweier Zivilverfahren, in denen der SdK-Vorsitzende Erfolge erzielte.

Der springende Punkt für die Strafverfolger ist aber nicht, ob die Bilanz von Wirecard fragwürdig ist. Entscheidend ist etwas ganz anderes: Straub deckte sich vor der öffentlichen Kampagne gegen Wirecard mit Verkaufsoptionen ein. Er wettete also darauf, dass der Kurs des Unternehmens fallen würde, das er und Schneider öffentlich lautstark kritisierten. Die Strafverfolger gehen davon aus, dass Straub die Kampagne in der Absicht anstieß, von einem Kursverfall der Aktie zu profitieren - genau wie sein Kompagnon Tobias Bosler, Herausgeber eines Börsenbriefs.

Andere Aktionäre, die von der Kampagne vorab nichts wussten, erlitten einen Kursverlust. Straub und Bosler dagegen sollen an dem Absturz nach derzeitiger Ansicht der Ermittler knapp sechs Millionen Euro verdient haben. Und nicht nur sie: Die beiden sollen auch andere aus der Clique über die bevorstehende Kampagne informiert haben, unter anderem Anlegerschützer Oefele, insgesamt neun Akteure.

Der Gewinn aus den Spekulationen gegen Wirecard könnte also deutlich höher gewesen sein. Die Ermittler verdächtigen übrigens nun auch einen Börsen-Journalisten, Geld für einen negativen Artikel über Wirecard genommen zu haben, der den Kurs weiter nach unten getrieben haben könnte.

Der inhaftierte Straub hat längst zugegeben, auf fallende Kurse gesetzt zu haben. Er ist als SdK-Vize bereits vor zwei Jahren zurückgetreten. Umstritten ist die Rolle des amtierenden SdK-Vorsitzenden Schneider, den die Justiz als Beschuldigten führt. Straub behauptet, er habe Schneider und die übrigen Vorstände der SdK über seine fragwürdige Wette gegen Wirecard informiert.

Die Justiz ging vor der Razzia gegen die 31 Beschuldigten davon aus, dass Schneider tatsächlich von Straubs Wette wusste. Der SdK-Vorsitzende weist dies aber weit von sich. "Schneider wusste nichts von Straubs Positionen gegen Wirecard", erklärt der Anwalt Franz Enderle von der Kanzlei Bub, Gauweiler & Partner. Schneider habe auch nie Geschäfte mit Wirecard-Papieren gemacht. Wenn diese Version stimmen würde, wäre Schneider von Straub nur ausgenutzt worden, damit dieser und andere an der Kampagne gegen Wirecard und den Kursstürzen verdienen konnten. Was genau an den Vorwürfen dran ist, muss die Justiz klären. Ob das Verfahren personelle Konsequenzen bei der SdK haben wird, ist offen.

© SZ vom 29.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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