Grillen, Kompostieren, Protestieren:Streithähne am Zaun

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Lärm, Gestank, Rauch: Wie die Gerichte über sommerliche Emissionen geurteilt haben.

Von Andrea Nasemann

Draußen im Garten trennt keine Wand die Nachbarn. Man ist sich näher, und so ist auch das Streitpotential größer. Oft landen die Konflikte vor den Gerichten. Diese haben in einer großen Zahl von Entscheidungen geurteilt, was draußen erlaubt und was verboten ist.

Ob das Krähen des Hahns oder der Qualm aus dem Grill: Geräusche und Gestank sorgen im Sommer für Streit unter Nachbarn. (Foto: Foto: ddp)

Grillen: Vor allem das Grillvergnügen erhitzt die Gemüter. Doch wer den Duft von brutzelnden Würstchen oder Steaks nicht schätzt, kann wenig dagegen unternehmen. In einem Fall, in dem der Nachbar insgesamt 16 Mal gegrillt hatte, sah das Amtsgericht München keine Belästigung. Die Nachbarn seien nur unwesentlich beeinträchtigt worden (Az. 263 C 2702/03).

Wie die Richter entscheiden, hängt vom Einzelfall ab. Das Bayerische Oberste Landesgericht erlaubte zum Beispiel nur fünf Mal Grillen im Jahr (Az. 2 Z BR 6/99). Eine Grilldauer von sechs Stunden oder ein dreimaliges Grillen pro Jahr hält das Landgericht Stuttgart für angemessen (Az. 10 T 359/96).

Rauch: Dringt allerdings Qualm konzentriert in die Wohn- und Schlafräume der Nachbarn, kann der Störer mit einem Bußgeld belangt werden (Oberlandesgericht Düsseldorf, Az. 5 Ss OWi 149/95- (OWi) 79/95 l). "Gerüche müssen hingenommen werden. Zieht aber Qualm in die Nachbarwohnung, ist das Grillen verboten", sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund in Berlin. In einem vom Verwaltungsgericht Koblenz entschiedenen Fall rückte sogar die Feuerwehr mit fünfzig Mann an. Sie kamen umsonst: Der Grill hatte zwar kräftig geraucht, eine konkrete Brandgefahr hatte jedoch nicht bestanden. Der Kamin war vorschriftsmäßig errichtet, bestimmungsgemäß benutzt und beaufsichtigt worden. Folge: Der Grillfreund musste die Kosten der Feuerwehr nicht erstatten (Az. 5 K 1068/08).

Auch der Rauch von Zigaretten muss in der Regel toleriert werden. Die Nachbarn können nicht auf einem Rauchverbot auf dem Balkon bestehen (Amtsgericht Bonn, Az. 6 C 510/98). Im Mietvertrag ist zum Beispiel dagegen ein Grillverbot zulässig; auch in Wohnungseigentumsanlagen kann das Grillen untersagt werden.

Gartenabfälle: Auch der Komposthaufen an der Grundstücksgrenze kann den Nachbarn stinken. Das Landgericht München entschied, dass ein Nachbar seinen Komposthaufen von der Grenze weg verlegen musste, da kein Zweifel bestehe, dass von einer solchen Anlage immer wieder Geruchsbelästigungen ausgingen (Az. 23 O 14452/86).

Musik und Kinder: Sommerpartys sind zwar, vor allem wenn das Wetter mitspielt, für den Gastgeber und seine Gäste ein Genuss. Nicht jedoch immer auch für die anderen Anwohner. "Am besten informiert man die Nachbarn schon ein paar Tage vor dem Fest", rät Ropertz. Nach 22 Uhr muss die Musik leise gedreht werden. "Aber schon für die Zeit vor 22 Uhr gilt das Gebot der Rücksichtnahme", sagt Ropertz.

Schreie und Rufe von Kindern müssen Nachbarn dagegen als natürliches Verhalten hinnehmen. Die Gerichte erwarten hier "erhöhte Toleranz" (Landgericht Bad Kreuznach, Az. 1 S 21/01). Während der allgemeinen Ruhezeiten, also mittags von 13 bis 15 Uhr und abends von 22 Uhr an bis morgens sieben Uhr, dürfen Kinder aber nicht stören.

Gartengeräte: Auch Rasenmäher, Häcksler, Motorkettensägen, Heckenscheren und Vertikutierer machen Lärm. Ein Blick in die Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung schafft Klarheit: Der Betrieb solcher Geräte ist in Wohngebieten nur werktags gestattet zwischen sieben und 20 Uhr.

Viele Gemeinden haben jedoch andere Regelungen getroffen, inbesondere über die Mittagzeiten. Laubbläser, Laubsammler, Grastrimmer, Graskantenschneider und Freischneider dürfen in Wohngebieten werktags nur zwischen 9 und 12 sowie zwischen 14 und 17 Uhr benutzt werden. Auch auf Baustellen im Freien dürfen Baumaschinen wie Betonmischer, Bohrgeräte, Baustellenkreissägen, Mobilkräne oder Schweißgeräte werktags nicht zwischen 20 und sieben Uhr, und an Sonn- und Feiertagen überhaupt nicht eingesetzt werden.

Tiere: Nicht jeder ist ein Tierfreund, dem in seiner Mittagspause auf dem Liegestuhl im Garten der kläffenden Nachbarshund nichts ausmacht. Werden die Gerichte eingeschaltet, geben diese teilweise Zeiten vor, in denen Haustiere bellen, krähen oder pfeifen dürfen.

Hier gilt: Hundegebell ist tagsüber nur zwischen acht und 13 Uhr und zwischen 15 und 19 Uhr erlaubt, höchstens 30 Minuten lang und nicht länger als zehn Minuten am Stück. Papageien dürfen von neun bis 12 Uhr und zwischen 13 und 16 Uhr auf der Terrasse oder im Freien ihr Sprachtalent beweisen. Kakadus dürfen zu ähnlichen Zeiten auf der Terrasse in einer Voliere abgestellt werden, aber insgesamt höchstens eine Stunde pro Tag, und ein Graupapagei, der stundenlang pfeift, gehört nach Meinung der Gerichte überhaupt nicht in eine reine Wohngegend.

Ein Hahn, gehalten in einem allgemeinen Wohngebiet, darf erst von acht Uhr an krähen, am Wochenende und an Feiertagen erst eine Stunde später. Für Ropertz sind diese Urteile aber wirklichkeitsfremd. "Hinter solchen Einzelfallentscheidungen steckt immer der Versuch eines Gerichts, beiden Seiten gerecht zu werden", meint der Mietrechtsexperte.

Konfliktlösung: Wer sich von seinen Nachbarn gestört fühlt, sollte zunächst das Gespräch und nach Streitlösungen suchen. Dabei besteht die Chance, eine Lösung im Dreieck mit einem Schlichter zu finden. In vielen Bundesländern gibt es gesetzliche Regelungen zur außergerichtlichen Schlichtung nachbarschaftsrechtlicher Streitigkeiten.

Erst, wenn der Schlichtungsversuch bei einer anerkannten Gütestelle gescheitert ist, kann geklagt werden. Die Erfolgsquote der Schlichtungsverfahren hält Ropertz allerdings für gering. "Meist sind Lärm oder Qualm der Nachbarn nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt."

© SZ vom 24. 07. 2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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