Gehälter der Sportler:Arm und Reich im olympischen Dorf

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Der eine verdient mehrere Millionen, die andere lebt von Hartz IV: Die Einkommen deutscher Athleten in Peking klaffen weit auseinander.

Alexander Mühlauer

Das olympische Dorf, sagt der Multi-Millionär, sei noch besser, als er es sich vorgestellt habe. 10.000 Sportler auf einem Fleck, in einer Mensa, überhaupt, so ein Feeling wie hier in Peking könne man nirgendwo noch einmal kreieren. Dieses Gefühl, das der Basketballspieler Dirk Nowitzki beschreibt, ist der Zustand eines Ortes, der von Gegensätzen lebt, die hier aufeinandertreffen, sich mischen, sich vielleicht sogar vereinen: Sprachen, Kulturen, Lebensstile. Bei Nowitzki ist es wohl auch der durchaus angenehme Kontrast zu seiner gewohnten Umgebung, einer Welt des Bling-Bling, in der seine Basketballkollegen mit dem protzen, was sie sich leisten können: fette Rolex, dickes Auto, schlanke Frau.

Alle drei starten in Peking, doch die finanzielle Situation könnte unterschiedlicher nicht sein: Kerstin Stegemann, Fahnenträger Dirk Nowitzk und Florence Ekpo-Umoh (v.l.n.r.). (Foto: Foto: ddp/dpa/dpa)

Man muss nicht erst den Antagonismus arme Afrikaner versus reiche Westler bemühen, um zu erkennen, dass sich im olympischen Dorf verschiedene Einkommensklassen begegnen, die auch jede moderne Gesellschaft kennzeichnen. Bei den deutschen Athleten ist es genauso. Das Team ist eine olympische Klassengesellschaft.

Eher Amateur als Profi

Im olympischen Dorf wohnen Sportmillionäre zusammen mit Arbeitslosen. Nowitzki (Jahresgehalt: knapp zehn Millionen Euro) schläft und isst hier, ebenso wie Florence Ekpo-Umoh (Jahresgehalt: Hartz IV). Die 400-Meter-Läuferin war zwei Jahre wegen Dopings gesperrt und stand vor dem Nichts. Jetzt darf sie wieder starten. Die 30-Jährige zählt zu den 45 Sportlern des deutschen Olympiateams, denen es finanziell nicht gutgeht. 45 von 438 Athleten, das hat die Stiftung Deutsche Sporthilfe (DSH) errechnet, geht es sehr viel schlechter als den anderen.

Vom Sport allein können sie nicht leben. So wie die meisten deutschen Olympioniken ist Ekpo-Umoh eher Amateur als Profi. "Der Begriff Profi gehört abgeschafft", sagt Michael Ilgner, Geschäftsführer der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Den Profi gebe es nicht mehr. Er muss es wissen, schließlich fördert die DSH deutsche Sportler mit insgesamt gut zehn Millionen Euro im Jahr. Nur zehn Prozent der deutschen Olympiateilnehmer sind nicht (mehr) auf die Hilfe der DSH angewiesen. Es sind 14 Handballer, zwölf Basketballer, sechs Reiter, drei Tennisspieler, drei Leichtathleten, eine Schwimmerin und ein Tischtennisspieler. Es ist gibt aber auch Sportler, die bei der Sporthilfe bleiben, obwohl sie locker ohne leben könnten.

Fabian Hambüchen ist so einer. Der Turner verdient genug; auf das Geld der DSH wäre er nicht mehr angewiesen. Doch im Gegensatz zur Schwimmerin Britta Steffen steht Hambüchen noch unter dem jährlich kündbaren DSH-Vertrag. Fünf Prozent seiner Werbeeinnahmen muss er deshalb an die Sporthilfe abdrücken. So werden Sportler, die einst von der DSH gefördert wurden, selbst zu Förderern der Sporthilfe. Sagen wir, ein Sportler verdient eine Million Euro im Jahr, dann fallen für die Sporthilfe 50.000 Euro ab.

Prinzip Leistung

Die DSH versucht also, die Ungleichheit auszugleichen. Sportler leben den Wettkampf, einen Kampf, der eine Kadergesellschaft produziert. Dabei geht es um Leistung. Wer mehr leistet, bekommt mehr Geld. Aber sind die deutschen Athleten auch eine Klassengesellschaft? Das hört man nicht so gerne, wie ja die Deutschen überhaupt lieber von Ungleichheit, Unterschied, oft und gerne auch von Unterdrückten reden, statt das Wort Klasse für ihre Gesellschaft zu verwenden. Man vermeidet es am liebsten. Sollen doch die Amerikaner und Briten ihre Working und Upper Class haben; aber Deutschland, eine Klassengesellschaft? Nein, danke.

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Im Mittelalter und bei Karl Marx waren die Klassenbegriffe noch eindeutig: Leibeigene versus Klerus und Adel, Proletariat versus Bourgeoisie. Dann differenzierten sich die Begriffe. Max Weber definierte unterschiedliche soziale Lagen und Schichten, Helmut Schelsky entdeckte 1953 die "Mittelstandsgesellschaft"; und in den achtziger Jahren war gar vom Ende der Klassengesellschaft die Rede, etwa in Ulrich Becks "Jenseits von Stand und Klasse". Dann kamen die Postmodernisten und Lebensstilforscher, und alles wurde beliebig: Sie kennen nur noch Lebensstile und subkulturelle Unterschiede. Der Befund im Deutschland der Nullerjahre heißt also: Ungleichheiten ja, Klassen nein.

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Wissenschaftler bemühen deshalb den Begriff der Schicht. Schichten werden je nach Einkommen und gesellschaftlichem Status definiert; auch im Olympischen Dorf gibt es demnach Schichten. Die Oberschicht mit Großverdiener Nowitzki, die Unterschicht mit der Hartz-IV-Empfängerin Ekpo-Umoh. Und dazwischen die Mittelschicht. Zu der zählt zum Beispiel Kerstin Stegemann. Zweimal hat die Fußballspielerin die Weltmeisterschaft gewonnen. Sie ist jetzt 30, schon 1996 in Atlanta war sie im deutschen Olympia-Kader. Stegemann ist Hauptfeldwebel, ihr Geld verdient die Soldatin bei der Bundeswehr. Im Monat sind es 2100 Euro brutto, so ist es in der Besoldungsgruppe A8 festgelegt.

Bei den Soldaten gibt es allein 740 sogenannte Sportplanstellen. Das kostet die Armee etwa 25 Millionen Euro im Jahr. Zählt man Bundespolizei und Zoll noch dazu, sind es über 1000 solcher Arbeitsplätze. Das Durchschnittsgehalt liegt bei gut 1500 Euro netto. Am meisten Geld pumpt die Bundesregierung in die Förderung der Sportler: allein in diesem Jahr etwa 200 Millionen Euro.

15.000 Euro für den Sieg

Von der Deutschen Sporthilfe bekommt ein Olympiasieger 15.000 Euro. Würde er für Russland starten, bekäme er das Zehnfache. Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sagt, "dass nicht einmal in Zeiten des Kalten Krieges in vielen Ländern so viel Geld für Leistungssport ausgegeben wurde wie jetzt".

Die Olympischen Spiele in Peking, sie sind ein Ereignis, an dem die Staaten dieser Welt demonstrieren können, was die finanzielle Aufrüstung in Sachen Sport gebracht hat. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, welche Sportler in eine andere Gehaltsklasse auf- oder absteigen. Denn ein Olympiasieg beschleunigt den Aufstieg, ein Dopingfall den Absturz.

© SZ vom 07.08.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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