Olympische Spiele:"Es wird mir eiskalt den Rücken runterlaufen"

Dirk Nowitzki wird das deutsche Team bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele als Fahnenträger in Pekings Nationalstadion führen.

Thomas Becker, Peking

Locker federnd wie ein rhythmischer Sportgymnast wippt Dirk Nowitzki in den Presseraum des Deutschen Hauses im Pekinger Hotel Kempinski. Schüttelt Hände mit Michael Vesper, dem Chef de Mission der deutschen Mannschaft. Strahlt beglückt in die Kameras.

Olympische Spiele: Dirk Nowitzki darf bei der Eröffnungsfeier am Freitag die deutsche Fahne ins Stadion tragen. Schon jetzt weiß er: "Es wird mir eiskalt den Rücken runterlaufen."

Dirk Nowitzki darf bei der Eröffnungsfeier am Freitag die deutsche Fahne ins Stadion tragen. Schon jetzt weiß er: "Es wird mir eiskalt den Rücken runterlaufen."

(Foto: Foto: dpa)

Schon jetzt dringt ihm der olympische Geist aus jeder Pore seines großen Körpers, und auch als er knapp eine Stunde später alle Journalistenfragen beantwortet hat, wirkt dieser Superstar des Sports immer noch wie ein kleines Kind an Heiligabend. Warum? Dirk Nowitzki darf bei der Eröffnungsfeier am Freitag die deutsche Fahne ins Stadion tragen. Schon jetzt weiß er: "Es wird mir eiskalt den Rücken runterlaufen."

Wohl selten man den NBA-Star so entspannt, gelöst und gesprächig erlebt. Schon nach der gelungenen Olympia-Qualifikation in Athen war nach dem Schlusspfiff all der Druck von ihm abgefallen, für jedermann sichtbar. Übermannt von den eigenen Gefühlen flüchtete Nowitzki in die Kabine.

Bei der anschließenden Feier entstand dann die Idee zur neuen Kurzkurzhaarfrisur, der sich die komplette Mannschaft unterzog. Nowitzki setzte noch einen drauf und ließ sich vom Kollegen Kamann die olympischen Ringe über dem linken Ohr ausrasieren. "Sieht nicht unbedingt toll aus, aber für Olympia macht man doch einiges." Wohl wahr: Da es keine Schablone gab, haben die Kumpels aus einem Plastikteller einen Ring ausgeschnitten - und so improvisiert sieht das dann auch aus. Egal, die Geste zählt.

Diverse Kandidaten der nun insgesamt 438 Sportler starken Mannschaft waren als Fahnenträger gehandelt worden, verdiente Olympia-Veteranen wie die Rudererin Kathrin Boron oder der Handballer Christian Schwarzer. Doch die Entscheidung fiel zugunsten des auch in China sehr populären Weltstars aufgrund seiner "authentischen Begeisterung für die olympischen Spiele, seiner Vorbildfunktion für die Jugend", so Vesper.

Der Fahnenträger verbinde "Erfolg mit Teamfähigkeit", und nur als der deutsche Mannschafts-Chef endlich beim mühsam geheimgehaltenen Namen angelangt war, kam er durcheinander: "Begrüßen Sie mit mir Gerd, äh, Dirk Nowitzki!"

"Von Haus aus ein Botschafter des Sports"

"Eine Riesensache", sei das für ihn, sagt der Würzburger und erzählt in der Folge ein ums andere Mal von dem "unbeschreiblichen Gefühl, einfach mit 10.000 Sportlern in der Mensa zu sitzen und zu sehen, wer da alles rumläuft". Drei Mal am Tag ist er dort, "am Abend bleiben wir immer ein bisschen länger sitzen und quatschen".

Er will in seiner Funktion als Fahnenträger "die Zeit nutzen, möglichst viele Sportler kennenzulernen. Allzu viel weiß ich natürlich nicht von den deutschen Medaillenchancen." Er wolle "keinem der gestandenen Olympioniken auf den Schlips treten", bittet alle sich "mit ihm zu freuen" und fühle sich "wahnsinnig geehrt".

"Mir ist klar, dass das schon ein kleiner Traditionsbruch ist. Schließlich bin ich zum ersten Mal dabei. Ein Staffellauf wär auch witzig gewesen: Jeder läuft ne Viertelrunde, oder so." Da er schon seit vielen Jahren im Ausland spielt, fühle er sich schon "von Haus aus als Botschafter des deutschen Sports".

Das Wort, das jedoch am häufigsten fällt, ist "Schpass". Davon will er möglichst viel haben, an vielen Orten: Schwimmen, Tennis, Handball, Leichtathletik und Tischtennis will er sich anschauen, und mit seinem Team "mindestens das Viertelfinale erreichen". Immer wieder fängt er an, vom Leben im olympischen Dorf zu schwärmen. "Da spielst du dann Airhockey gegen irgendeinen Pakistani - der war richtig gut."

Am Freitagabend geht es dann raus aus dem Dorf und rein ins Stadion. Ob er wisse, wie er sich zu verhalten habe mit der Fahne in der Hand, wird Nowitzki gefragt. "Mir wurde gesagt: Das ist kein Karnevalsverein hier. Allzu wild werde ich also nicht damit rumwedeln."

Mit Deutschland-Fahne auf der Backe saß er zuletzt bei der Fußball-EM beim Public Viewing in Würzburg. Ausgerechnet zum Kroatien-Spiel hatte er auch seinen neuen Trainer Rick Carlisle aus Dallas mitgebracht - und ihm auch die Fahne auf die Backe gemalt. Vom Auto musste der Bundesadler allerdings runter: "Wenn ich zum Training nach Bamberg muss, fahre ich ein bisschen schnell. Das hält die Fahne nicht aus."

Dass das deutsche Team erst fast am Ende der Eröffnungs-Zeremonie dran ist, stört ihn nicht: "Ob ich da als Erster oder Letzter reingehe, ist egal. Das ist der Moment, von dem ich geträumt habe, seit ich zehn oder elf Jahre alt bin, seit ich Olympia schaue. So müssen wir nicht stundenlang im Stadion rumstehen, sondern können hinten noch ein bisschen zusammensitzen - und dann volle Power einmarschieren. Und dann wird's mir eiskalt den Buckel runterlaufen."

Schwer vorstellbar, dass sich irgendjemand mehr auf diesen Moment freut als Dirk Nowitzki.

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