Finanzmärkte:Falsche Hoffnung schadet

Lesezeit: 2 min

US-Präsident Obama will die Finanzmärkte künftig schärfer kontrollieren. Das ist ein Anfang - aber keineswegs die Revolution. Politiker sollten nicht so tun, als sei die Krise überstanden.

Alexander Hagelüken

Die Finanzkrise hält den Erdball in einer Weise gefangen, wie es die Menschheit seit 1929 nicht erlebt hat. Die Symptome heißen Massenentlassungen, Milliardenverluste, Wertverfall bei Aktien und Häusern. Zu diesem schmerzhaften Klammergriff gehört, dass es immer wieder Phasen falscher Hoffnung gibt, immer wieder die Einbildung, das Schlimmste sei jetzt aber bitte schön vorbei - und damit die Notwendigkeit, etwas zu ändern.

US-Präsident Barack Obama hat bei seiner Rede im Weißen Haus umfassende Kontrollen und schärfere Regeln für die Wall Street verkündet. (Foto: Foto: Reuters)

Ein paar Wochen nach dem Ausbruch der Krise Mitte 2007 war so ein Moment, genauso im Frühjahr 2008 nach der Rettung der Investmentbank Bear Stearns. Und natürlich der Sommer vergangenen Jahres - kurz bevor mit der Pleite von Lehman Brothers alles so richtig zusammenkrachte.

Wer derzeit manche Politiker und Banker nah und fern hört, erkennt darin erneut falsche Hoffnung und gefährliche Ignoranz. Amerikanische Geldhäuser produzieren mit Bilanzkosmetik Gewinne und zahlen eiligst Staatshilfen zurück, als seien sie bereits stabil. In Deutschland blockieren Landespolitiker Fusionen von Landesbanken und säen damit die Verluste der Zukunft, statt die Krise zu radikalen Schnitten zu nutzen.

Europäer beharken sich

Obwohl die Kompostierung fauler Wertpapiere noch nicht gelungen ist, versuchen Bankeigentümer schon, aus der Verantwortung zu flüchten. Und bei der Reform der Finanzmärkte sind die Politiker nach großen Versprechen in der Ebene gestrandet. Was US-Präsident Barack Obama nun vorschlägt, ist ein Anfang, aber keineswegs die nötige Revolution. Und die Europäer beharken sich wieder mal, als hätten sie unendlich Zeit.

Die Realität ist trüber, als der Eskapismus der Akteure vermuten ließe. Noch hat kein Modell für faule Wertpapiere auf beiden Seiten des Atlantiks gezeigt, dass es die Geldhäuser entlastet. Damit sitzen sie auf Giftmüll, der ihre Gegenwart verseucht und Kredite an Unternehmen behindert. Gleichzeitig sieht die Europäische Zentralbank (EZB) weitere Verluste auf die Banken zukommen - diesmal vor allem, weil in der Rezession Firmen und Bürger häufiger Kredite schuldig bleiben.

Auf fast 300 Milliarden Dollar schätzt die EZB die Verluste, die Europas 20 größte Banken in den kommenden eineinhalb Jahren noch anhäufen werden - fast so viel, wie sie bisher schon gemacht haben. Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist sogar noch skeptischer. Das Schlimmste ist vorbei? Das lässt sich wirklich nicht sagen. Zumal die Krise erst im kommenden Jahr mit voller Wucht auf Europas Arbeitsmärkte durchschlägt - und es für alle Beteiligten schwieriger macht: für Beschäftigte genauso wie für Firmen, Regierungen und Banken.

Umso wichtiger wäre es, dass alle Akteure keine falschen Hoffnungen verbreiten. Und vor allem, dass die Anstrengungen weitergehen, das Finanzsystem von den Fehlern der Vergangenheit zu befreien. Ja, es ist falsch, dass die Geldhäuser jetzt schon wieder mit Millionen-Gehältern um vermeintliche Topkräfte werben, um die nächste Runde der Spekulation anzuwerfen.

Falsch wäre es auch, die Probleme der Banken aus dem Blick zu verlieren; wenn sie mehr Kredite verweigern als gerechtfertigt, wird das die Rezession verschärfen. Völlig verkehrt ist es auch, die Neuordnung des Finanzsektors zu blockieren, wie es einige deutsche Landesfürsten und Bundestagsabgeordnete tun. Die Republik braucht ein, zwei Landesbanken höchstens - alles andere ist ein Beharren auf überkommenen Strukturen und Pöstchen.

Seltsam mutlos wirken angesichts der Schwere des Crashs die Versuche der Politik, die Finanzmärkte zu reformieren. US-Präsident Obama gibt zwar der Notenbank eine starke Rolle bei der Bankenkontrolle, aber er belässt das Chaos von acht Behörden.

Hedgefonds werden registriert, aber nicht gezähmt. Und ob die hemmungslose Verschuldung durch Kreditkarten und die Risikoballung durch Derivate gestoppt werden, steht in den Sternen. Über Obama spotten sollte trotzdem niemand. In Europa passiert derzeit noch viel weniger. Dabei wollten die Europäer der Welt doch vor kurzem noch ein Vorbild dafür geben, wie ein besseres Finanzsystem aussieht.

© SZ vom 18.06.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: