Finanzkrise: Irland und Portugal:Zittern in Euroland

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Ein Insolvenzrecht für EU-Mitglieder soll Staatspleiten künftig möglich machen. Doch wegen der Nöte in Irland und Portugal könnte es schneller zum Ernstfall kommen als die Pläne reifen können.

Martin Hesse und Catherine Hoffmann

Nun also drohen Irland und Portugal in den Strudel der Eurokrise gerissen zu werden, wie schon Griechenland im Mai. Die Märkte sprechen eine deutliche Sprache: Diese Länder müssen rekordhohe Renditen bieten, wenn sie sich verschulden wollen. Die Skepsis der Anleger wird vor allem von der politischen Debatte über ein Insolvenzverfahren für EU-Staaten geschürt, die Bundeskanzlerin Angela Merkel losgetreten hat. Sie will dafür sorgen, dass der Privatsektor, also Besitzer von Staatsanleihen, an der Bewältigung der Staatsschuldenkrise beteiligt wird. Bislang sind die Gläubiger nämlich ungeschoren davongekommen, dank großzügiger Staatshilfe.

Europa sorgt sich um seine Krisenländer Irland und Portugal. (Foto: ag.dpa)

Der Rettungsschirm

Der Euro-Rettungsschirm umspannt insgesamt 750 Milliarden Euro. Droht einem Land die Zahlungsunfähigkeit, greift in der ersten Stufe ein Notfallfonds, der durch den EU-Haushalt garantiert wird und bis zu 60 Milliarden Euro umfasst. Im Gegenzug muss sich der Staat wirtschaftspolitischen Auflagen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) unterwerfen. Reicht die Hilfe nicht, können in einer zweiten Stufe Mittel aus einer Zweckgesellschaft der Euro-Länder beantragt werden, die sich am Kapitalmarkt bis zu 366 Milliarden Euro borgen kann. Für diese Darlehen bürgen die 16 Euro-Länder mit insgesamt 440 Milliarden Euro. Die Möglichkeit, sich auf diesem Wege Geld zu beschaffen, endet allerdings am 30. Juni 2013. Zusätzlich zu diesen beiden Stufen wird erwartet, dass der IWF die Hilfe der Europäer um mindestens 50 Prozent aufstockt.

Das Dilemma

Im Lissabon-Vertrag gibt es eine No-Bailout-Klausel, die es EU-Staaten untersagt, strauchelnde Mitgliedsländer herauszukaufen. Das sollte sicherstellen, dass sich jeder Staat darum bemüht, aus eigener Kraft zahlungsfähig zu bleiben. Finanzspritzen aus Brüssel oder Berlin für Griechenland, Irland oder Portugal sind damit ein rechtlich heikles Thema. So weit die Theorie. Athen wurde dennoch geholfen - aus Furcht, der Euro könnte an einer Pleite Griechenlands zerbrechen. Seither haben klamme Staaten ein hohes Druckpotential: Sie wissen, dass die Nachbarn in Zweifel für sie einspringen werden. Ökonomen nennen das Problem "Moral Hazard". "Zwar gilt grundsätzlich auch für Staatsanleihen, dass Investoren mit einem Ausfall rechnen müssen. Aber es hat sich eingebürgert, daran zu glauben, dass es im Zweifel einen Bail-Out gibt", sagt Kornelius Purps, Anleihenexperte bei Unicredit. Weil das am Ende aber auch finanzkräftige Staaten wie Deutschland in Gefahr bringen könnte, wird nun über ein Insolvenzrecht für Euromitglieder diskutiert.

Der Krisenmechanismus

Der Rettungsschirm, der im Frühjahr für Griechenland und andere in Not geratene Staaten aufgespannt wurde, soll 2013 durch einen dauerhaften Krisenmechanismus ersetzt werden. Auch künftig wird es demnach einen Fonds oder Fazilitäten geben, die bereitstehen, wenn ein Land in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Wer Hilfe in Anspruch nimmt, muss im Gegenzug strenge Auflagen erfüllen. Denkbar wäre auch, die finanzielle Unterstützung an Strafzinsen zu koppeln. Ein guter Krisenmechanismus ist schwer zu konstruieren.

"Es darf einerseits keine automatische Rettung eines Landes geben, weil damit das Moral-Hazard-Problem zementiert würde", sagt Jens-Oliver Niklasch, Volkswirt der LBBW. "Andererseits darf es auch nicht so sein, dass Länder, die Geld aus dem Fonds bekommen, automatisch zur Umschuldung gezwungen werden, denn damit würde man Spekulanten dazu einladen, auf eine Pleite zu wetten." Man würde also erst das provozieren, was man eigentlich verhindern möchte: die Zahlungsunfähigkeit eines Staates durch steigende Kapitalmarktzinsen, glaubt Niklasch.

Das Insolvenzrecht

Bundeskanzlerin Angela Merkel möchte zudem ein Insolvenzrecht für Eurostaaten einführen. Ihre Hoffnung: Dass künftig nicht allein die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, wenn ein Staat vor der Pleite steht. Vielmehr sollen auch die privaten Gläubiger, also beispielsweise Banken und Versicherungen, die Staatsanleihen gekauft haben, sich an den Kosten einer Rettung beteiligen. Klauseln sollen regeln, dass private Gläubiger im Falle einer drohenden Staatsinsolvenz auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten; Fachleute sprechen von "Restrukturierung" oder "Haircut". Dabei geht es um viel Geld.

"Ist ein Staat etwa mit 130 Prozent seiner Wirtschaftsleistung übermäßig hoch verschuldet, müssten Gläubiger auf 30 bis 60 Prozent ihrer Forderungen verzichten, damit für den Staat ein Neuanfang möglich ist", sagt Rentenanalyst Niklasch. Jeder, der eine solche Anleihe kauft, weiß, dass er viel Geld verliert, wenn der Schuldner eine Anleihe nicht bedienen kann. Widerspruch wäre zwecklos. Da sich die Bedingungen der Altschulden im nachhinein nicht einfach ändern lassen, würden die Klauseln lediglich für neue Anleihen gelten. Diese würden nach und nach die alten Schuldtitel ersetzen. Fällt ein Staat aus, müssten die Käufer dieser neuen Anleihen also die größte Last tragen.

Die Angst an den Märkten

Dennoch sind die Risikoaufschläge für alte Anleihen Irlands, Portugals, Griechenlands drastisch gestiegen, seit die Bundesregierung mit ihrem Insolvenzrecht vorgeprescht ist. Wenn aber das neue Insolvenzrecht erst ab 2013 gelten soll, warum fürchten die Investoren schon heute, im Falle einer Staatspleite zur Kasse gebeten zu werden? "Der Vorschlag für ein Insolvenzrecht für Neuschulden verunsichert Investoren, weil es unweigerlich die Frage aufwirft, ob die Altschulden voll bedient werden", sagt Anleihenexperte Purps.

Anleger fürchten, dass auch Inhaber alter Anleihen einen Teil ihres Geldes verlieren, wenn es nach 2013 zu einer Umschuldung in einem Euroland kommt. Die Logik ist einfach: Angenommen, ein Staat hat 2013 unter dem neuen Insolvenzrecht Anleihen im Volumen von fünf Milliarden Euro begeben, schleppt aber insgesamt 100 Milliarden Euro Schulden mit sich herum. Unterstellt, die Regierung kommt 2014 zu dem Schluss, dass sie ihre Schulden nicht mehr bedienen kann: Dann wird es wenig nutzen, nur die Gläubiger der Fünf-Milliarden-Anleihe zu einem Schuldenerlass zu zwingen, um die Finanzen wieder auf solide Füße zu stellen.

Am Ende droht die Pleite

Warum aber glauben Anleger überhaupt, dass einige Staaten nicht um eine Umschuldung herumkommen? Die hohen Risikoaufschläge für einige Eurostaaten zeigen, dass Investoren trotz des bestehenden Schutzschirms die Schulden einiger Länder nicht für tragbar halten. "An den Märkten werden Berechnungen gehandelt, wonach Staaten rund acht Prozent Zinsen zahlen müssen, wenn sie Hilfen aus dem Rettungsschirm in Anspruch nehmen", sagt Anleihenexperte Purps. "Das macht es schwer, den Haushalt zu sanieren und die Verschuldung abzubauen."

In den vergangenen Tagen mehrten sich Anzeichen, dass er recht hat. Griechenland wird für dieses Jahr ein deutlich höheres Defizit ausweisen müssen, als bei der Verabschiedung des Rettungspaketes vereinbart. Es sollte bei 8,1 Prozent liegen, wird aber 9,4 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen. Irland ist zwar bis Juli 2011 finanziert, müsste dann aber monatlich fast vier Milliarden Euro am Markt aufnehmen. Auch ob Portugal seine Schulden in den Griff bekommt, gilt als fraglich. Außenminister Luis Amado ließ sich in einem Interview dazu hinreißen, über einen drohenden Ausschluss Portugals aus der Eurozone zu spekulieren. Das ist es, was die Anleger am meisten fürchten.

© SZ vom 16.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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