EZB erhöht den Leitzins:Wie Trichet gegen das Inflations-Monster kämpft

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Die Euro-Hüter erhöhen den Leitzins: Warum machen sie das ausgerechnet jetzt? Kann die EZB die Inflation bremsen? Und ist das nicht schädlich für die Schuldenkrise?

Mario Lochner und Bastian Brinkmann

Die Europäische Zentralbank hat entschieden: Der Leitzins in der Eurozone wird auf 1,5 Prozent heraufgesetzt. Er legte damit um 25 Basispunkte zu, teilte die EZB in Frankfurt am Main mit. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet setzt mit dem zweiten kleinen Zinsschritt binnen drei Monaten den allmählichen Ausstieg aus der Krisenpolitik des extrem billigen Geldes fort. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Preisvergleich vor dem Kühlregal. (Foto: Bloomberg)

Warum machen die das?

Das höchste Ziel der Geldhüter in der Zentralbank ist die Preisstabilität. Das regelt der Vertrag von Maastricht. Die Inflation soll demnach im Jahresschnitt unter zwei Prozent liegen. Das ist die Rate, mit der die Preise steigen. Ist sie konstant, können Unternehmen besser Investitionen planen, genauso wie Privatleute große Ausgaben - beispielsweise einen Hausbau.

Wie gefährlich die Inflation ist, erklärt die EZB in einem Lehrfilm für Kinder. Zwei Schüler wollen auf dem Markt Brot kaufen. Doch die Preise sind immer zu hoch, obwohl ihnen ein Monster fortlaufend Geld zusteckt - die Inflation, mit blauer Haut und fiesen Zähnen. Wer schon lesen kann, kann sich auf der EZB-Seite durch Inflation Island klicken. Hier erklärt zum Beispiel ein Bauarbeiter, dass er bei hoher Inflation lieber für höhere Löhne demonstriert als zu arbeiten, und dass er bei der Hyperinflation zu Fuß zur Baustelle kommt - Benzin ist unbezahlbar.

Stoppt die Leitzins-Erhöhung die Inflation?

Von der EZB bekommen die Banken ihr Geld. Ist der Leitzins niedrig, können sie viel Geld in Umlauf bringen - wie es derzeit geschieht. Das treibt allerdings auch die Preise.

Mit Ausbruch der Finanzkrise hatte die Europäische Zentralbank im Oktober 2008 den Zins gesenkt, um die Wirtschaft mit Geld zu versorgen. So sollte das Wachstum geschützt werden. Der Preis dafür: Die Inflationsrate lag in der Eurozone im Juni bei 2,7 Prozent ( PDF-Datei), genauso hoch wie im Mai. Im vergangenen Jahr lag sie bei 1,6 Prozent - und somit ideal knapp unter der Grenze von 2,0 Prozent. Damit die Preisrate nicht wie in den vergangenen Monaten weiter steigt, hatte die EZB den Leitzins bereits im im April von 1,0 auf 1,25 Prozent erhöht.

Was bedeutet das für die Konjunktur?

Banken können sich künftig nicht mehr so billig mit Geld versorgen, dadurch fließt weniger Geld in die Wirtschaft. Die Preise steigen weniger stark. Allerdings: Auch die Investitionen gehen zurück, weil Kredite teurer werden. Die Menschen neigen dazu, mehr zu sparen und weniger zu konsumieren, weil die Zinsen auf dem Konto ebenfalls steigen. Diese Entwicklungen bremsen die Konjunktur. Das Wachstum in Deutschland ist jedoch seit Monaten stark und zieht die ganze Eurozone mit.

Das komplizierte Wechselspiel zwischen Leitzins, Inflation und Wachstum erklärt die EZB mit einem netten virtuellen Spiel: Als Zentralbanker muss der User in der Simulation versuchen, die Inflation zwischen 0,0 und 2,0 stabil zu halten. Die Anleitung warnt: "Eine zu hohe oder zu niedrige Inflation kann ganz schnell Game over bedeuten!"

Ist der Zeitpunkt weise gewählt?

Dass die EZB den Leitzins schon jetzt erhöht, gefällt nicht jedem. Der Aufschwung, der in der restlichen Eurozone schwächer ausfällt als in Deutschland, könne abgewürgt werden, befürchten die Kritiker. Kurz vor der Erhöhung hat OECD-Chef José Ángel Gurría die EZB gewarnt, jetzt den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Es sei zwar richtig, ein Signal gegen die Inflation zu senden. "Ich rate aber nicht zu aggressiven Zinserhöhungen und ich denke, es wird auch nicht dazu kommen", sagte Gurría. Es sei besser, mit einer weiteren Straffung der Geldpolitik abzuwarten, bis sich der Aufschwung sich verfestigt habe.

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hatte die Märkte auf den jetzigen Schritt vorbereitet, indem er mit Blick auf die Inflationsentwicklung von "hoher Wachsamkeit" sprach. Das gilt als Codewort für eine anstehende Zinserhöhung. Ob es in diesem Jahr zu einem weiteren Anstieg kommt, ist unklar. Die Hüter des Euro lassen sich prinzipiell bei ihrer geldpolitischen Strategie nicht in die Karten schauen und betonen stets, dass sie sich niemals vorab festlegen. Zudem steht Ende des Jahres eine Wachablösung an der Spitze der Zentralbank an, wenn Trichet Ende Oktober abtritt und dem Italiener Mario Draghi Platz macht.

Müssen die Krisenstaaten jetzt mehr zahlen?

Ja. Wenn der Leitzins steigt, werden Kredite teurer. Griechenland hat für das Geld, das es von der EU, der EZB und dem IWF bekommt, flexible Zinssätze vereinbart ( PDF-Datei). Basis ist die Rate für Interbanken-Termingeschäfte, die drei Monate laufen. Sie liegt aktuell bei 1,6 Prozent. Hinzu kommen Risikoaufschlag und Gebühren, sodass der griechische Staat aktuell rund 5,5 Prozent Zinsen zahlt. Dieser Satz wird nun voraussichtlich steigen.

Wer entscheidet über den Leitzins bei der EZB?

Der EZB-Rat, das wichtigste Organ des Eurosystems, setzt sich aus den Notenbankchefs der 17 Euroländer und den sechs Mitgliedern des EZB-Direktoriums zusammen. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet leitet das Gremium.

Wann geben die Banken die Zinserhöhung weiter?

Oft werden Banken dafür kritisiert, dass sie bei Zinssenkungen nicht schnell genug zugunsten der Kreditnehmer entscheiden - bei Zinserhöhungen dagegen Guthabenzinsen zu spät anpassen. Allerdings gibt es Hoffnung für die Sparer: Einige Institute haben angekündigt, die Zinsen für Tagesgeld zu erhöhen. Experten rechnen damit, dass nach der Leitzinserhöhung weitere Banken nachziehen werden.

In der Eurozone steigen die Zinsen - warum bleiben sie in den Vereinigten Staaten noch tief?

Der Zins von fast null Prozent soll vor allem die Konjunktur in den USA ankurbeln, denn die Lage in Amerika ist ernüchternd: Die Arbeitslosenquote liegt bei mehr als neun Prozent, das ist doppelt so hoch wie vor der Krise. Die Wirtschaft kommt nicht in Fahrt.

Bisher hat die extrem lockere Geldpolitik in den USA wenig gebracht und die Frage ist, ob sie sich ohne Probleme weiterführen lässt - die Inflation liegt mittlerweile bei 3,6 Prozent und manche Politiker befürchten sogar schon eine Rezession.

Was ist die Kerninflation, über die die Amerikaner immer reden?

Bei der Kerninflation werden Preise für Lebensmittel und Energie nicht berücksichtigt. Der Grund: Sie unterliegen oft saisonalen Schwankungen. Um die tatsächliche Teuerungsrate zu berechnen, legen beispielsweise die Amerikaner einen repräsentativen Warenkorb ohne Lebensmittel und Energie fest.

Das Statistische Bundesamt dagegen berücksichtigt in seinem Warenkorb Nahrung, Strom- und Heizkosten. Auf der Homepage des Amtes können User einen individuellen Warenkorb zusammenstellen und festlegen, ob sie mehr für Lebensmittel oder Miete ausgeben. Wer beispielsweise kein Auto hat, kann die Preissteigerung beim Benzin ignorieren. Der Rechner kalkuliert dann die ganz persönliche Inflation.

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