Einfluss der Länder auf die EZB:Wie damals bei der Bundesbank

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Die vom Italiener Draghi angeführte Europäische Zentralbank kauft Anleihen kriselnder Staaten - entgegen ihrer eigentlichen Aufgabe. Nun will der CDU-Parteitag dafür sorgen, dass die Bundesbank mehr Gewicht erhält. Doch dieser Plan hat unabsehbare Folgen.

Claus Hulverscheidt und Stefan Braun

Der Pfarrer Peter Hintze ist im Laufe seiner politischen Laufbahn schon häufiger vom Glauben abgefallen. Meist rappelte er sich jedoch rasch wieder hoch und nahm das Heft des Handelns in die Hand. Als er etwa die SPD in den 1990er Jahren auf dem Weg in ein Bündnis mit "den Kommunisten" wähnte, erfand der damalige CDU-Generalsekretär Hintze die "Rote-Socken"-Kampagne, die bis heute Objekt von PR-Seminaren ist. Und als er wenige Jahre später gewahr wurde, wie tief sein Ex-Kanzler Helmut Kohl im Spendensumpf steckte, gehörte er rasch zu denjenigen, die sich hinter der damals noch ziemlich jungen CDU-Generalsekretärin Angela Merkel versammelten und sie an die Spitze der deutschen Christdemokratie bugsierten.

Vielen deutschen Politikern missfällt der Kurs, den die EZB unter Mario Draghi eingeschlagen hat. (Foto: REUTERS)

Im Zuge der EU-Schuldenkrise hat Peter Hintze eine weitere vermeintliche Gewissheit über Bord werfen müssen, nämlich die, dass die Europäische Zentralbank (EZB) eine durchweg unabhängige Institution ist, die sich ausschließlich um die Geldpolitik kümmert. Stattdessen kauft die EZB seit eineinhalb Jahren Anleihen taumelnder Euro-Staaten auf und hält diese damit künstlich über Wasser. Für Notenbank-Puristen verstößt sie damit gegen das Verbot der "monetären Staatsfinanzierung", der Staatsfinanzierung via Notenpresse also.

Weder die Bundesregierung noch die Bundesbank hat derzeit eine Handhabe, das Gebaren der Euro-Zentralbanker zu unterbinden. Vielmehr wurden die deutschen Vertreter im EZB-Rat schlichtweg überstimmt, weil dort das Prinzip "one man, one vote" gilt. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat also in dem Entscheidungsgremium nicht mehr zu sagen als sein Kollege aus Malta.

Auf Hintzes Drängen hin hat nun die Antragskommission für den CDU-Parteitag übernächste Woche in Leipzig eine Beschlussempfehlung gebilligt. Darin heißt es, "dass die Präsidenten der nationalen Zentralbanken zukünftig bei allen Entscheidungen des EZB-Rates mit gewichteten Stimmen entsprechend der Wirtschaftskraft der nationalen Volkswirtschaften abstimmen" sollen. Was harmlos klingt, wäre tatsächlich eine Revolution: Weidmann hätte plötzlich 300 Mal mehr Stimmen als der Malteser Josef Bonnici, 27 Prozent der eine, 0,09 Prozent der andere.

Mancher Verschwörungstheoretiker wird nun auf den Gedanken kommen, dass der treue Peter Hintze von seiner Parteivorsitzenden Angela Merkel vorgeschickt wurde. Dafür freilich spricht wenig, denn Hintze hatte sich mit seiner Idee in der großen Europa-Kommission der CDU, die das Leipziger Delegiertentreffen vorbereiten sollte, zunächst nicht durchsetzen können.

Womöglich kommt Hintze nochmal ins Grübeln

Dieser Kommission gehörten immerhin Parteigrößen wie Wolfgang Schäuble, Norbert Röttgen, Ursula von der Leyen, Peter Altmaier und Hermann Gröhe an. Dass Generalsekretär Gröhe den Vorschlag auf Antrag von Hintzes Kreisverband Wuppertal nun doch noch zur Annahme empfahl, könnte dem eher taktischen Gedanken geschuldet sein, dass Merkel der Parteibasis für deren Frust über den gesamten Euro-Rettungskurs der vergangenen zwei Jahre ein Ventil bieten muss.

Das gilt umso mehr, als die Idee kaum Aussicht auf Umsetzung hätte. Vielmehr würden wohl gerade die kleineren Euro-Staaten gegen eine künftige "Bundesbank-Diktatur" im EZB-Rat rebellieren. Womöglich kommt der versierte Europapolitiker Hintze aber auch selbst noch einmal ins Grübeln: Bei einer Stimmengewichtung nach Wirtschaftskraft nämlich würden auch Frankreich, Italien und Spanien erheblich an Einfluss gewinnen, Länder also, die als Anhänger eines eher laxeren EZB-Mandats gelten. Deutschlands Verbündete hingegen waren in der Vergangenheit meist die Finnen, die Österreicher, die Luxemburger und die Niederländer - freundliche Völker mithin, aber keine ökonomischen Riesen.

© SZ vom 10.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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