Diskussion um Hartz IV:OECD rügt Lohn-Aufstockung

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Beistand für die Befürworter niedriger Staatshilfen: Deutschland unterstütze durch seine Hinzuverdienstregeln die Ausbildung eines Niedriglohnsektors, sagt die OECD. Das sei verkehrt - die Leute sollten besser richtig arbeiten.

Ausgerechnet in Deutschland sei das Armutsrisiko besonders hoch, stellt die Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) fest.

Raumpflegerin bei der Arbeit: Die OECD hält nicht viel von den Lohnzuschüssen des Staates. Sie würden bewirken, dass das Geringverdiener von staatlichen Hilfsgeldern abhängig blieben. Das Armutsrisiko sei daher in Deutschland besonders hoch. (Foto: AP)

Aber nicht etwa, weil der Staat zu wenig Leistungen bereitstelle - sondern zu viel, sagte OECD-Experte Herwig Immervoll in der Frankfurter Rundschau. Daher gebe es für Langzeitarbeitslose mit einem Hinzuverdienst nur einen geringen Anreiz, eine existenzsichernde Beschäftigung anzunehmen.

"Seit Mitte der neunziger Jahre fördert Deutschland zu stark niedrig entlohnte Jobs", sagte Immervoll dem Blatt.

Daher sei es richtig, wenn die Koalition die Zuverdienstregeln für Hartz-IV-Bezieher ändern wolle. Die Koalition hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die noch im Oktober Vorschläge für neue Zuverdienstregeln präsentieren soll.

Wut bei Gewerkschaften

Unterdessen machen die Gewerkschaften Front gegen die Pläne der schwarz-gelben Koalition für eine Anhebung des Hartz-IV-Satzes um lediglich fünf Euro. DGB-Chef Michael Sommer kündigte massiven Widerstand an. "Wer soziale Kälte predigt, wird heiße Antworten bekommen", sagte er der Passauer Neuen Presse. Die Linkspartei will gemeinsam mit Gewerkschaften und Sozialverbänden gegen die Hartz-Pläne vorgehen.

Die Koalition will den Hartz-IV-Regelsatz für Erwachsene von 359 auf 364 Euro im Monat anheben. Für die rund 1,7 Millionen Kinder der Langzeitarbeitslosen zahlt der Bund zusätzliche Bildungshilfen, unter anderem pauschal 10 Euro monatlich für außerschulische Kurse und Mitgliedschaft in Sportvereinen.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) bekräftigte am Montagabend im Heute Journal des ZDF, dass jedem Kind garantiert 250 Euro an Sachleistungen zustehen. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass der Bundesrat die Bildungshilfen für Kinder nicht blockieren werde.

"Mehr und mehr Herbst der falschen Entscheidungen"

DGB-Chef Sommer warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, der von ihr angekündigte Herbst der Entscheidungen werde "mehr und mehr zum Herbst der falschen Entscheidungen". Es sei von Anfang an klar gewesen, dass es nicht mehr als eine geringfügige Erhöhung geben würde. "Das war eine politische Setzung, nicht die Umsetzung der Vorhaben des Bundesverfassungsgerichts", kritisierte Sommer.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, ihre Partei werde sehr genau prüfen, ob die Neuregelung verfassungskonform sei. "Es sind Zweifel angebracht", sagte sie in den ARD- Tagesthemen.

Es sei ein großes Problem, dass auch Aufstocker in die Berechnungen einbezogen und dadurch die Zahlen künstlich kleingerechnet worden seien. "Wir wollen ein transparentes Verfahren, das darf nicht laufen wie beim Hütchenspielen", sagte Nahles.

"Front gegen Merkels Fünf-Euro-Almosen"

Der CDU-Fraktionsvorsitzende in Nordrhein-Westfalen und Chef der der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, wies Kritik an den Berechnungen zurück. "Dieses Gesetz wird allen gerichtlichen Auseinandersetzungen standhalten", sagte er der Frankfurter Rundschau. Es sei sauber alles herangezogen worden, was eine Durchschnittsfamilie aus dem unterem Lohnsegment benötige.

Linken-Chef Klaus Ernst will hingegen mit Gewerkschaften und Sozialverbänden eine "geschlossene Front gegen Merkels Fünf-Euro-Almosen" organisieren. Der Regelsatz müsse sofort auf deutlich mehr als 400 Euro angehoben werden, verlangte er in der Passauer Neuen Presse. Er forderte SPD und Grüne auf, im Bundesrat nicht einzuknicken. Schwarz-Gelb werde alles daran setzen, einzelne Länder aus dem Nein-Lager herauszubrechen.

© sueddeutsche.de/AFP/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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