Deutsche Anleger:Eine Herde von Langschläfern

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Anleger wissen zwar, dass sie etwa in Asien investieren sollen - trotzdem warten sie ab und gehen auf Nummer sicher. Denn die Angst vor erneuten Verlusten ist nach wie vor groß.

Alexander Mühlauer

Kurz bevor Bernard Baruch 1965 verstarb, blickte der Spekulant noch einmal auf die Millionen zurück, die er mit seinen Börsengeschäften angehäuft hatte. Auf die Frage nach seinem Erfolgsgeheimnis antwortete er: "Ich habe mein Geld verdient, indem ich zu früh verkauft habe." Das konnte Baruch allerdings nur sagen, weil er sich rechtzeitig mit Papieren eingedeckt hatte.

Anlegerverhalten: Lieber schlafen als Aktien kaufen (Foto: Foto: ddp)

Nun, im Krisenjahr 2009, ist die Mehrheit der deutschen Anleger weit entfernt von Baruchs Ideal. Sie wissen nicht so recht, was sie sich selbst und ihrem Geld zutrauen sollen. Sie scheuen sich vor neuen Geldanlagen und investieren lieber ungefährlich.

Nach einer repräsentativen Studie der Vermögensverwaltung Schroders und der GfK-Marktforschung sind 63 Prozent der Befragten der Meinung, dass ihnen internationale Kapitalanlagen zu risikoreich seien. Dieses Ergebnis ist überraschend, sagt doch die Mehrheit der Befragten, dass China die ökonomische Supermacht von morgen sei.

Wie passt es da zusammen, dass nach wie vor über 80 Prozent der Deutschen ihre Kapitalanlagen überwiegend hierzulande tätigen? "Die Anleger haben Angst, durch Umschichtungen noch mehr Geld zu verlieren", erklärt Achim Küssner, Geschäftsführer von Schroder Investment Management in Deutschland.

Wenn Anleger überhaupt handelten, steckten sie ihr Geld im vergangenen Jahr vor allem in scheinbar risikoarme Anlageprodukte wie Tages- oder Festgeldkonten. Mehr als zwei Drittel aller Befragten setzen auf diese eher risikoarme Form der Geldanlage.

"Chanchen nicht erkannt und nicht genutzt"

Von Investmentfonds und Aktien lassen die Deutschen dagegen lieber die Finger. Und wenn überhaupt, wollen sie in Deutschland investieren - und nicht im Ausland. "Damit werden interessante Chancen an den weltweiten Aktienmärkten nicht erkannt und nicht genutzt", so Küssner.

Welche Chancen die Anleger verschenken, zeigt ein Vergleich verschiedener Indizes. So büßte der deutsche Aktienindex Dax allein zwischen August 2008 und August 2009 etwa 25 Prozent ein. Im gleichen Zeitraum verlor der Weltindex MSCI World lediglich 15 Prozent. Der Schwellenländer-Index MSCI Emerging Markets verzeichnete nur ein Minus von 11,3 Prozent. Und wer im August 2008 in China investierte, konnte sich ein Jahr später sogar über positive Erträge freuen: Der MSCI China gewann bis August 2009 vier Prozent, der MSCI India lag mit 5,6 Prozent im Plus.

Überraschend ist außerdem, dass heute nur noch 29 Prozent der befragten Anleger glauben, dass die weltweiten Aktienmärkte in Zukunft sinken werden. Das sind acht Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Eigentlich, meint Küssner, sollte dies für einen Einstieg in Aktien sprechen. Die Anleger selbst sehen das aber anders: Nur 14 Prozent wollen in den nächsten zwei Jahren mehr Geld in Wertpapiere investieren, 71 Prozent wollen nichts tun, und 15 Prozent möchten ihre Aktienengagements verringern.

Was ist es also, dass die Deutschen daran hindert, ihr Geld breiter zu streuen und die Chancen derzeit niedriger Aktienkurse zu nutzen? Zugegeben, so neu ist dieses Verhalten nicht. Verhaltsökonomen stellten schon vor langer Zeit fest, dass der Mensch lieber in der Herde der Anlegermasse mittrabt, als daraus auszubrechen. Erst wenn die Masse reagiert, also zum Beispiel auf asiatische Märkte setzt, tut es der Herdenmensch auch. Das Problem ist nur: Meistens ist es da schon zu spät - und Spekulanten à la Baruch sind bereits längst wieder ausgestiegen. Sie verdienen ihr Geld, weil sie "zu früh" verkauft haben.

Kaufen, wenn die Preise schon hoch sind

Im Normalfall kaufen die Verbraucher, wenn die Preise niedrig sind. So ist es kein Wunder, dass die Kauflaune der Deutschen zurzeit ungebrochen ist. Die Inflation bewegt sich bei Null, und die Bürger freuen sich über mehr Geld im Portemonnaie. An den Kapitalmärkten zeigt sich ein anderes Bild: Dort greifen die Anleger erst zu, wenn die Preise schon hoch sind. Sie lassen sich erst treiben, wenn die Euphorie groß ist - obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten.

Gerade jetzt ist dieses irrationale Verhalten besonders stark ausgeprägt, hat doch die Finanzkrise einen Großteil der Spareinlagen aufgefressen. Die Angst vor erneuten Verlusten ist nach wie vor groß. Auf die Frage, warum sie nicht in internationale Kapitalanlagen investieren würden, antworteten 13 Prozent der Befragten, dass sie Angst vor einer Rezession hätten. Und die überwiegende Mehrheit gibt zu, dass ihr dies zu risikoreich sei, und dass sie sich einfach zu wenig auskenne. Es ist wohl vor allem eine Frage der Zeit, bis die Herde der Langschläfer wieder erwacht.

© SZ vom 30.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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